Vanja Trajkovic/Sopran

Interview Vanja Trajkovic am 26.9.2016 im Guest House Vienna

Du bist am vergangenen Samstag bei der Jungen Schubertiade (JSW) aufgetreten und hast das Publikum begeistert. Mir gefällt deine Klangfarbe besonders gut. Wie ist diese zu bewerten, wie wichtig ist diese?

Wichtig ist einmal, gut zu singen. Klangfarbe ist sehr wichtig, sie kann sehr gut sein, aber in gewissen Fällen auch sehr schlecht. Ich habe zum Beispiel eine sehr dunkle Farbe und viele Leute glauben dass ich Mezzo bin. Ich bin aber Sopranistin. Noch nicht ganz dramatische Sopranistin, ich bleibe aber im lyrischen Repertoire, denn das ist geeignet für meine Stimme.

Ein Experte aus dem Publikum hat gesagt, dass du „durch dich selbst“ singst. Ich verstehe das als authentisch. Bedeutet es, dass du deine Seele präsentierst?

Ich möchte nicht nur meine Stimme präsentieren, sondern das, was in den Noten steht, denn alles steht in den Noten. Ich möchte mein Gefühl in der Rolle darstellen.

Das heißt, du möchtest dich mit der Rolle identifizieren? 

Es gibt auch Sänger, die ohne Seele singen und es gibt Sänger, die können ohne dieses Gefühl nicht singen. Wenn ich keine Inspiration habe, dann kann ich nicht singen.

Das heißt, du kannst auch in einer fremden Sprache, die du nicht verstehst, die Seele einsetzen, denn du weißt ja, worüber du singst.

Natürlich muss man den Sinn jedes einzelnen Wortes kennen und man muss auch viel lesen, sich auch mit Poesie beschäftigen.

Bei „An die Musik“ von Schubert hat man bemerkt, wie du dich mit der Sprache auseinandersetzt und dies wirkt sich auf die Interpretation aus.

Ich kann ohne Probleme auf Russisch, auf Tschechisch oder natürlich serbisch singen, wenn ich aber auf Deutsch singe, muss ich das sehr gut lernen und mich auch mit dem Text sehr auseinandersetzen. Da gibt es keine Improvisation. Ich muss dieses Lied verstehen, denn es kommt ja nicht aus meiner Kultur und meinem Land. Ich habe dies ein Jahr lang sehr intensiv mit Frau KS Gabriele Fontana durchgenommen. Ich habe viele Masterklassen mit verschiedenen Lehrern absolviert. Ich muss da sehr viel lernen, denn das ist wichtig für meine Stimme. Ich singe auch im Schönberg Chor.

Eigentlich wird ein Sänger über die Oper bekannt und wendet sich dann auch dem Lied zu, siehe Fritz Wunderlich. Du schaffst es, dem Publikum deine intensiven Gefühle im Lied näherzubringen.

Ja man muss es schaffen, in kurzer Zeit eine ganze Geschichte zu erzählen. Es ist sehr kompliziert oft in nur zweieinhalb Minuten diese im Lied enthaltene Geschichte zu erzählen.

Zu diesem Niveau zu kommen, wo du heute bist, ist ein langer und steiniger Weg. Würdest du mit der Erfahrung, die du heute hast, diesen Weg nochmals gehen?

Ja natürlich (die Antwort kommt ohne zu zögern).

Fangen wir von vorne an: du kommst aus Serbien. Entstand dein Wunsch, Sängerin zu werden, aus der Familie heraus, oder war dies dein eigener Wunsch?

Ich habe 6 Jahre Ballett gelernt und auch Klavier und dann habe ich mit Gesang angefangen.

Ohne dass deine Familie künstlerisch tätig ist?

Ja, ohne beruflichen Bezug zur Kunst.  Meine Mutter hat zwar eine super Stimme, ist aber Buchhalterin und mein Vater ist Ingenieur.

Was hat dir den Anstoß gegeben, diese künstlerische Richtung einzuschlagen?  Irgendein Erlebnis?

Eigentlich habe ich immer gut gesungen. Meine Tante im Kindergarten hat gesagt, dass ich in die Musikschule gehen müsste.  Ich bin dann von der Schule ganz alleine zur Aufnahmsprüfung gegangen.  Ganz alleine – ohne Mama und ohne Papa. Da war ich 14 Jahre alt.  Das war die Aufnahmsprüfung für Gesang.  Knapp vor Erreichen meines 15. Lebensjahres begann der Krieg mit den Bombardierungen durch die USA.

Wie ist es dir in dieser Zeit gegangen?

Ich wollte nach 6 Monaten in die Hochschule für Musik gehen.  Meine Lehrerin hat mir gesagt, dass ich auch Klavier üben und spielen müsse. Ich habe da oft die Sirenen gehört und musste schnell nach Hause laufen. Zuhause sind aufgrund der Detonation die Fenster rausgefallen, aber ich habe weiter geübt, denn ich wollte ja auf die Musikhochschule gehen, die ca. 80 km von meinem Heimatort entfernt ist (in Belgrad). Ich hatte die Prüfung vor mir und was sollte ich daher anderes machen als weiterspielen.  Ich habe dann bei der Prüfung in Belgrad den ersten Platz in Gesang erreicht. Klavier habe ich nicht geschafft (lacht).

Du bist dann auf die Hochschule für Gesang gegangen und dann auf die Uni.

Zuerst in Nis, denn dort war eine sehr gute Lehrerin. Das Bachelorstudium habe ich dann abgeschlossen, bin aber dann nach Belgrad, denn dort war eine berühmte Sängerin, Katharina Jovanovic, und habe dort ein einjähriges Spezialstudium absolviert. Ich habe dann 8 Jahre in der Musikschule als Gesangs-Lehrerin gearbeitet. Das habe ich seit meinem letzten Bachelor Studium bis zu meinem Beginn in Wien gemacht.

Wie kommt man nach Absolvierung eines Studiums in Serbien auf die Idee, nach Wien zu gehen?

Ich hatte in meiner Klasse einen hochtalentierten Sänger, der aufgrund seiner speziellen Stimme einen Gesangslehrer brauchte und ich schlug ihm vor, nach Wien oder sonst wohin zu gehen. Er ist dann auf Professor Vittucci in Wien gestoßen und hat auch die Aufnahmsprüfung geschafft.

Eines Tages hat er mich angerufen und fragte mich, ob ich nicht einmal nach Wien kommen möchte, auch um seinen Lehrer Sebastian Vittucci kennen zu lernen. Ich habe immer meine Noten mit und Vittucci hat mir vorgeschlagen, doch noch weiter zu studieren. Master hatte ich ja schon und da ist ihm Lied und Oratorium eingefallen. Geh doch in den zweiten Stock und sage, ich hätte dich geschickt. Das machte ich auch und so kam ich zu Gabi Fontana. Ich habe ihr meine Geschichte erzählt und dass ich von Prof. Vittucci geschickt worden wäre. Sie wollte, dass ich in zwei Wochen wiederkommen solle.

Ich antwortete, dass ich heute wieder nach Serbien fahren müsse und ob sie nicht 2 Minuten für mich hätte. Der Liedbegleiter Dieter Peyer hat mir dann geholfen und hat gesagt, dass ich jetzt vorsingen solle und danach hat Frau Fontana gesagt, dass ich im September zur Aufnahmsprüfung kommen solle.

Weißt du noch, was du vorgesungen hast?

Ich habe Lieder vorgesungen und zwar von Debussy und aus dem italienischen Liederbuch von Hugo Wolf. Ich habe dann im September die Prüfung geschafft und von da an beginnt meine Geschichte in Wien.

Ich habe festgestellt, dass du sehr viel von Gesangstechnik verstehst. Wie versuchst du diese immer wieder zu verbessern?

Man muss wirklich sehr sehr viel arbeiten. Wenn du nicht weiter an dir arbeitest, mit Gesangslehrern oder Pianisten, dann bleibst du stehen. Technik ist auch das, was in Noten geschrieben ist. Wichtig ist es auch, Kontakt mit Dirigenten und mit anderen Musikern zu haben. Nicht nur mit Lehrern.

Beim Schubert Workshop hat der Leiter Markus Vorzellner Peter Schreyer zitiert, der der Meinung ist, dass die Konsonanten genauso wichtig sind wie die Vokale. Wie stehst du dazu?

Ich glaube, dass die Konsonanten für den Ausdruck sogar noch wichtiger sind.

Gibt es einen Zeitpunkt zu dem man sagt: jetzt muss ich raus oder ist es ein lebenslanges Lernen?

Es ist ein lebenslanges Lernen und man muss selbst lernen, wie man sich verbessern kann, denn man kann ja nicht jeden Tag einen Lehrer haben. Wenn man später auch viel engagiert ist, muss man auch viel lernen z.B. Repertoire. Das ist sehr wichtig.

Ich habe festgestellt, dass du eine Kämpferin bist. Hast du das mit der Muttermilch mitbekommen?

Ich glaube, ich habe dies von meinem Vater mitbekommen, denn er ist der Kämpfer. Mama ist eher der Familienmensch und nicht so karrierebewusst, denn sie hat ja auch 3 Kinder, meine beiden Brüder und mich.

Du hast einen sehr starken Ausdruck in der Interpretation. Liebst du mehr das Lied oder die Oper?

Beides – ich liebe gute Musik. Mit Operette und Musical habe ich noch nicht so viel Erfahrung. Eine Lehrerin empfiehlt mir, mich auch mit der Operette auseinanderzusetzen.

Hast du einen Lieblingskomponisten?

Viele, Hugo Wolf, Mahler, aber auch Wagner.

Wie kann man junge Leute heute für klassische Musik begeistern?

Das ist sehr kompliziert, wir müssen auf jeden Falls das Publikum schon in sehr jungen Jahren aufbauen. In Wien ist die Gefahr nicht so groß, dass das Interesse für Klassik rückläufig ist. Viele Leute kommen gerade wegen dieser Musik nach Wien.

Du arbeitest viel mit jungen Menschen – erzähle mir bitte etwas darüber.

Ja, ich arbeite in einer Organisation die heißt Superar *, wir betreiben viele Chöre in Wien. Das ist ein Integrationsprogramm und geht davon aus, dass alle Leute singen können. Wir müssen alle zusammenleben und Kinder zeigen wie das geht. Das macht mir großen Spaß und viel Freude.  Das ist fast ein Sozialprogramm, da ja viele Kinder vom Krieg traumatisiert sind. Diese Kinder sind sehr stark und haben eine „alte Seele“. 

Kann man mit der Musik die Seele heilen?

Definitiv … ich habe oft Kinder die weinen und was machen wir dann? Wir singen. Die Kinder haben in und durch die Gruppe eine Struktur, das heißt eine gewisse Ordnung und Regelmäßigkeit. „Du gehörst irgendwo hin“ und das ist sehr sehr wichtig.

Du wohnst jetzt in Wien, ist Wien zu deiner zweiten Heimat geworden oder ist es schon erste?

Dafür ist es zu kurz, ich wohne erst seit 2 Jahren hier. Ich muss noch besser die Sprache lernen (sie spricht wunderbar deutsch) und auch mehr über die Geschichte dieser Stadt und des Landes. Ich liebe diese Leute hier. Ich habe nur positive Erfahrung. Ich brauche mehr Zeit, um auch Österreich kennen zu lernen. Ich bin gern im 7. Bezirk, denn dort ist sehr viel Kultur und dort entwickelt sich sehr viel Positives. Einer meiner Lieblingsplätze ist auch das Theater an der Wien.

Wo sind deine Rückzugsgebiete, wenn du Ruhe brauchst und Energie tanken möchtest?

Wenn ich viel Zeit habe, dann fahre ich nach Kroatien auf eine kleine Insel, dort gibt es kein Internet und fast keine Nachbarn. Wenn ich nicht so viel Zeit habe, habe ich in meiner Wohnung einen Platz, wo ich mich mit Büchern und meinen Instrumenten zurückziehen kann, oder ich gehe ganz einfach spazieren.

Wie siehst du deine Zukunft?

Es wird passieren, was passiert muss– was gut ist für mich.

Was ist deine Lieblingsspeise?

(Zögert etwas und bekommt dann bei Wiener Mehlspeisen große Augen).

Dein Lebensmotto?

Sei gut zu Menschen, sei gut zu dir selbst, sei ehrlich und mache etwas aus deinem Leben.

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Vanja hat bei der Jungen Schubertiade Wien „An die Musik“ von Schubert aus vollem Herzen gesungen. Das sagt aus, dass sie Künstlerin und nicht nur Musikerin ist.

*Superar ist ein hochwertiges musikalisches Förderprogramm für junge Menschen

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