Interview Adela Liculescu, 22.8.2017 Cafe Diglas – Wollzeile
Ich habe dich das erste Mal im Yamaha Saal gehört und deshalb bin ich auch zum Beethoven Wettbewerb an die Musikuni Wien gekommen, wo du in die zweite Runde aufgestiegen bist. Ich habe in deiner Vita gelesen, dass du viele Wettbewerbe gewonnen hast. Warum geht man dorthin? Ist es für einen Künstler wichtig, muss man immer präsent sein?
Bei Wettbewerben spielt man vor mehreren Leuten und man kann auch Publikum für Konzerte gewinnen. Das finde ich fast wichtiger als den Preis. Natürlich sind Preise auch wichtig. Es geht natürlich auch um Geld, aber diese sind wichtig für Biographie, Lebenslauf usw. Aber ab einer gewissen Anzahl von Preisen sind diese Wettbewerbe nicht mehr so wichtig, aber die Konzerte, die man dadurch bekommen könnte, sind wichtig.
Bekommt man dadurch Konzerte?
Nicht durch den Wettbewerb selbst, aber durch Zufall können Personen anwesend sein, welche Interesse an weiteren Konzerten mit mir haben. Das ist mir schon passiert und da ist es nicht so wichtig, welchen Platz man erreicht.
Welcher der gewonnenen Wettbewerbe war für dich der Wichtigste?
2015 der Bösendorfer Wettbewerb. Der hat mir nicht nur ein neues Bösendorfer Klavier beschert, sondern auch Konzertauftritte, so wie z.B. im nächsten Jahr im Musikverein.
Du hast in Rumänien die High School besucht. Wie bist zu überhaupt zur Musik gekommen? Hast du in der Familie so viele Musiker?
Nein, überhaupt nicht. Das war einfach Zufall. In meiner Heimatstadt gab es eine Volksschule, die hatte auch Angebote z.B. In Klavier, Gesang und Ballett. Mein Opa ist mit mir zu allen diesen Klassen gegangen. Ich habe alles gemacht, auch Schauspielerei. Ich war eigentlich in allen Fächern gut. Meine Klavierlehrerin, die auch in der Musikschule unterrichtet hat, meinte, dass ich besonders gut wäre. Die Musikschule ist nicht so wie in Österreich getrennt, sondern man belegt in derselben Schule neben Musikunterricht auch alle anderen Fächer. Diese Schule geht von 7 bis 18 Jahren. Es gibt ein Vorurteil, dass bei Besuch der Musikschule alle anderen Fächer nicht so intensiv unterrichtet werden. Meine Eltern sind Mathematiker und Physiker und das war für sie natürlich ein Thema. Im letzten Moment hat meine Klavierlehrerin meine Eltern überreden können, mich doch in die Musikschule zu schicken. Sie konnte meine Eltern überzeugen, dass in mir ein großes Potential für die Musik, und da speziell für Klavier, liegt.
Das Leben hat viele Chancen und Kreuzungen, man muss nur die richtige nehmen.
Meine Mutter hat auch ein paar Jahre Klavier gelernt und wir hatten ein Pianino zuhause stehen. Auf dem spielte ich schon mit 4 Jahren.
Kurze Zwischenfrage: da du ja Profimusikerin bist, wieviel Stunden pro Tag musst du spielen?
Ich habe eigentlich kein fixes Programm, es hängt auch davon ab, wieviel Zeit ich habe.
Ich muss eigentlich viele verschiedene Aktivitäten setzen. Jetzt auch in den Ferien, viel Reisen und Konzerte vorbereiten, mit verschiedenem Repertoire.
Beispiel: Könntest du heute am Abend ein Konzert spielen, von dem du das Repertoire kennst?
Ja, man muss natürlich auch ein paar Stücke dabei haben, die man leicht abrufen kann.
Wo hast du so gut Deutsch gelernt?
In der Schule habe ich Französisch gelernt. Deutsch habe ich erst 6 Monate vor der Aufnahmeprüfung an der Uni gelernt.
Du hast in Rumänien die High School mit Auszeichnung abgeschlossen und bist 2012 nach Wien an die Uni gekommen. Wieso Wien?
Durch meinen Lehrer. Ich habe ihn bei einem Meisterkurs kennengelernt. Ich habe auch davor schon Meisterkurse besucht. Ich wollte eigentlich in England, Frankreich oder in der Schweiz studieren. Den deutschsprachigen Raum habe ich mangels Deutschkenntnissen vermieden. Dann habe ich aber gehört, dass Prof. Martin Hughes, ein sehr guter Lehrer wäre und so sagte ich mir: ok, versuche es. Es war vor Abschluss meines Abiturs – da hatte ich eine Stunde mit Prof. Hughes und da wusste ich, dass dies der richtige Lehrer für mich wäre.
Gibt es einen Moment, wo einem der Lehrer nicht mehr helfen kann?
Er kann mir jetzt noch helfen. Um auf die letzte Frage zurückzukommen: ja da habe ich mich entschieden nach Wien zu kommen. In 6 Monaten habe ich dann Deutsch gelernt und meine Prüfungen gemacht. Ich brauchte B1. Das ist nicht so schwierig, aber wenn man die Sprache überhaupt nicht kann ………
Nun zu einer Frage, die mich schon immer interessiert . Woran denkst du beim Klavierspielen? Wenn man dir zusieht bist du natürlich sehr konzentriert, schaust glücklich und lächelst auch zeitweise. Woran denkst du da? An die Noten, an schöne Dinge, an die Familie?
Das ist mir nicht bewusst, dass ich so viel lächle. Man muss natürlich konzentriert auf die Musik sein. Was mich betrifft, so würde ich vielleicht die Konzentration verlieren, wenn ich an andere Dinge denke. Es gibt Leute, die sagen, ich denke in Bildern. Wenn ich etwas z.B. Poetisches spiele habe ich mehr Zeit, an die Musik zu denken. Wenn ich jedoch was sehr technisch Schwieriges spiele, dann brauche ich die Konzentration für die Noten.
Das heißt, dein Lächeln kommt automatisch.
Ist mein Lächeln immer dabei?
Nein, nicht immer, aber alle paar Takte schaust du sehr zufrieden.
Ich bin eine Perfektionistin und bin glücklich, wenn es gelingt. Die Musik ist natürlich nicht immer glücklich.
Wenn du auf die Bühne kommst und du schlägst nach einer gewissen Konzentration den ersten Ton an, geht da in dir eine Veränderung vor, bist du dann ein anderer Mensch, bist du dann nur mehr DU und der Komponist?
Ich versuche schon vor dem Bühnenauftritt in Stimmung zu kommen und konzentriere mich schon ein paar Minuten davor, damit es dann nicht zu einem plötzlichen Bruch kommt. Ich komme also nicht erst beim ersten Ton in die nötige Stimmung, sondern schon ein paar Minuten früher und das gelingt mir auch. Bei Konzerten gelingt das immer, bei Wettbewerben nicht immer, da es da oft viele Nebenaktivitäten um mich herum gibt.
Das führt mich zu nächsten Frage. In Wien wird zwischen den Sätzen nicht applaudiert. Würde ein Zwischenapplaus den Künstler aus der Konzentration bringen?
Was mich betrifft, so glaube ich nicht. Ich bin ziemlich locker auf der Bühne. Ich habe auch schon kleinere Konzerte moderiert, was ich sehr gerne mache, um eine Verbindung zum Publikum herzustellen.
Ich habe jetzt zum Beispiel in Rumänien ein Open Air Konzert gespielt und da haben einige, die nicht in der klassischen Musik so versiert sind, applaudiert. Das finde ich nicht schlecht und zeigt, dass es ihnen gefallen hat. Ich finde es authentisch, wenn jemand aus Freude applaudiert. Darüber kann sich ja ein Künstler nur freuen.
Spürst du das Publikum während des Spiels?
Ja, ich spüre das. Sowohl, wenn es gut, als auch wenn es schlecht ist.
Z.B. im Yamaha Saal da hat ein Kind in der ersten Reihe herum geturnt und keine Ruhe gegeben. Das habe ich mitbekommen und fand es auch schrecklich und unhöflich mir gegenüber.
Was auch störend ist, besonders bei langsamen Stücken, wenn wer mit einem Fächer im Blickfeld sitzt und mit diesem herumschwenkt.
Du hast schon viele Konzerte in verschiedenen Ländern gegeben. Merkt man im Publikum einen Unterschied z.B. in Wien, Bukarest oder in deutschen Städten?
Ich will jetzt nicht arrogant klingen, aber bei mir war es immer sehr enthusiastisch und es gab immer sehr viel Applaus. Ich spüre da nicht sehr viel Unterschied. In Rumänien halten sie sich nicht zurück, sie sind laut und explodieren. In Deutschland ist das Publikum vielleicht noch etwas zurückhaltender als in Wien. Ich hatte einmal ein sehr nettes Erlebnis in Leipzig: da kam nach dem Konzert eine Freundin zu mir und sagte „Wow, die haben ja so viel applaudiert“. Das freut natürlich.
Sowas ist mir auch in London passiert. Dort wurde ich mit Applaus dreimal auf die Bühne gerufen. Die Veranstalterin sagte mir, dass dies bis jetzt nur zweimal passiert wäre, da das Publikum doch eher kühl wäre.
Spielst du lieber auf einer großen Bühne, oder auf einer kleinen, eher intimen Bühne?
Das kommt auf das Stück an. Die große Bühne hat mehr Weite und ich glaube, da kann ich mich auch mehr entfalten.
Ist es dir egal, ob du ein Solokonzert oder ein Solistenkonzert mit Orchester gibst?
Mit Orchester mach es viel Spaß. Vielleicht wäre es auch später einmal schön, als Solist zu dirigieren. Das ist sehr interessant.
Hast du schon einmal Sänger begleitet?
Ja und es macht auch Spaß – wenn der Sänger gut ist.
Könntest du dir einen anderen Beruf vorstellen, wenn du noch einmal auf die Welt kämest?
Ich weiß nicht, ich war in der Schule in allen Fächern gut und eigentlich könnt ich alles machen.
Hast du einen Lieblingskomponisten?
Nein, zumindest während des Studiums braucht man alle. Ich habe eine Vorliebe für Liszt. Natürlich spiele ich gerne die großen Klavierkonzerte von Tschaikowsky oder Rachmaninow.
Hier in Wien haben ich sehr viel Beethoven gespielt.
Hast du ein oder mehrere Vorbilder?
Ich lasse mich von verschiedenen Künstlern inspirieren. Ich möchte meinen eigenen Weg finden. Die Inspirationsquellen sind nicht nur Musiker, z.B. gibt es in Rumänien in den Schulen Olympiaden, das sind nationale Wettbewerbe in allen Fächern. Ich habe alle nationalen Klavierwettbewerbe gewonnen. Es gab jedes Jahr landesweite organisierte Ausflüge. Da habe ich so viele intelligente Menschen kennen gelernt . Man kann mit diesen Menschen Diskussionen führen, in denen man einen anderen Blickwinkel bekommt. Das müssen nicht unbedingt Musiker sein. Man kann sehr viel von Musikern und Nicht-Musikern lernen. Viel habe ich von meinen Kammermusikpartnern auch gelernt.
Worüber kannst du dich besonders ärgern?
Über Ungerechtigkeiten. Man spürt: „life is unfair“!
Man glaubt in der Schule lernt man alles, ist die Beste und dann ist alles ok. Das ist nicht immer so.
Kann man beim Gang auf die Bühne negative Emotionen ausblenden?
Man soll es, denn die Menschen im Publikum haben nichts damit zu tun. Man soll Respekt vor dem Publikum haben.
Hast du schon Pläne für die nächste Saison, hast du schon fix gebuchte Konzerte?
Ja, speziell am 26.4. im Musikverein im Zyklus „Tastenlauf“.
Ich mache auch eine Konzerttour durch Rumänien und spiele auch bei Yamaha in Hamburg. Ich spiele sehr viel Kammermusik. Im März gibt es eine Gala im Gläsernen Saal von der MDW im Musikverein. Ich spiele da mit meinem Duopartner eine Beethovensonate für Klavier und Violine. Er ist Konzertmeister bei den Niederösterreichischen Tonkünstlern. Es gibt sehr viele Pläne. Ich mache auch meine Abschlussprüfung.
Lebst du gerne in Wien?
Sehr gerne.
Was machst du in deiner Freizeit?
Ich habe sehr viele Freundinnen und Freunde und wir sind so eine Gruppe, in der wir sehr viel gemeinsam machen. Wir machen Ausflüge, gehen in Museen und gehen gerne spazieren. Ich lese auch sehr viel. Ich liebe Fremdsprachen zu lernen. Das ist ein Hobby von mir. Ich spreche Englisch, Deutsch, Französisch, Italienisch und Spanisch. Die letzten beiden noch nicht so gut. Ich habe auch versucht, Chinesisch zu lernen. Als nächste Sprache werde ich Russisch lernen.
Dein Lieblingsessen?
Ich liebe die guten Dinge, aber ich muss da (wegen Gewicht) etwas vorsichtig sein. Ich liebe die Asiatische Küche.
Wenn du Ruhe brauchst und die konzentrieren möchtest. Wohin gehst du dann?
Ich liebe Schönbrunn, oder wenn ich eine Pause habe, ganz einfach eine Stunde in den Stadtpark.
Jetzt will ich von dir noch eine Lebensweisheit, ein Sprichwort.
(lächelt) ich bin zu jung dafür. „Einfach das Leben genießen“.
Herzlichen Dank für das Gespräch