Interview Rebecca Blanz 28.Juni 2017 Cafe Diglas, Wollzeile
Wir sitzen da in einem typischen Wiener Cafehaus. Wiener Musik und Wiener Cafehaus, diese Institutionen gehören irgendwie zusammen. Ich werde in Zukunft diese Interviews „Cafe mit Dir“ nennen. Warum sitzen wir hier und warum habe ich dich zu diesem Interview eingeladen? Ich habe dich bei einem Klassenabend gehört und war von deiner Mozart-Interpretation von „Laudamus Te“ begeistert. Du hast es gesungen wie es sein soll – sehr hoffnungsfroh. Es soll ja Hoffnung geben. Weiters ist mir deine Bühnenpräsenz bei den Eröd „Milchzahn-Liedern“ aufgefallen. Meine Frage – hast du eine Schauspielausbildung?
Nicht direkt, ich habe früher viel Musical gespielt und ich spiele jetzt die Kinderoper und da kommt man automatisch ins Improvisieren.
Es liegt dir irgendwie.
Ja und es macht mir vor allem Freude.
Das merkt man. Du kommst aus Deutschland, aus Münster. Wie waren da deine ersten Schritte hin zur Musik? Bist du da reingefallen?
Ja das bin ich. Meine Eltern erzählen immer als Erstes, dass ich im Sommer im Garten auf dem Querbalken der Schaukel gesessen bin und Kölsche Weihnachtslieder gesungen habe. Da habe ich die komplette Nachbarschaft unterhalten. Da gab es dann noch ein prägendes Ereignis, als einmal in der Woche der Kantor unserer Heimatgemeinde in die Grundschule gekommen ist. Klein - Rebecca wollte da auch in der ersten Reihe sitzen. Das zweite Erlebnis war, dass ich im Fernsehen oder Radio Geigenmusik gehört habe und ich darauf den Wunsch äußerte, Geige zu spielen. Meine Eltern haben immer gesagt: „warte noch“. Ich war damals 4. Als ich aber nach 2 Jahren noch immer Geige spielen wollte, habe ich dann eine kleine Kindergeige bekommen. Mein Vater hat dann irgendwann ein Keyboard heimgebracht. Da ich Notenlesen ja schon konnte, habe ich mir Klavierspielen dann selbst beigebracht. Im Geigenunterricht musste ich auch manchmal mitsingen.
Bist du damals schon auf Bühnen gestanden? Bist du in Kirchen oder in der Schule aufgetreten?
Ja meistens zu Weihnachten in Kirchen. Ich habe ja auch Ballett gemacht und da war ich dann in den Kindergruppen oft dabei.
Mir ist bei den Eröd – Milchzahnliedern aufgefallen, dass du eine „Rampensau“ bist. Wir sagen das hier und ich glaube auch in Deutschland. Das heißt, diese Attitüde ist damals schon in dir gesteckt.
Ich war immer schon gerne auf der Bühne. Mein Ballettlehrer hat immer gesagt: Rebecca geht vor. Ich habe das gar nicht so wahrgenommen. Die Bühnen sind einfach da gewesen und ich bin mit ihnen groß geworden und diese mit mir.
Fühlst du dich auf einer großen oder einer kleinen Bühne wohler?
Auf beiden, je nachdem was ich singe. Lied auf einer ganz großen Bühne finde ich fehl am Platz. Bei Musicals, oder z.B. bei den Eröd-Liedern bin ich gerne nah am Publikum, um es direkter ansprechen zu können.
Brauchst du das Publikum?
Gute Frage.
Spürst du eine andere Energie im Saal, wenn das Publikum da ist?
Ja schon. Ich merke das beim Vorsingen, oder z.B. bei Generalproben, wo der Saal ja meistens leer ist. Mit Publikum ist der Auftritt authentischer.
Spürst du, wenn die Energie zwischen dir und dem Publikum „Klack“ macht?
Ja bei Mozart habe ich es bemerkt, obwohl ich doch etwas nervös war und das Stück doch sehr schwer ist. Ich habe aber dann gespürt, wie alle begannen, selbst Hoffnung zu schöpfen und in diesem Sinne mitzuleben. Wenn das Stück vorbei ist, merkt man diese Spannung selber. Nicht beim Applaus, sondern knapp davor. Ich habe die „Mignon-Lieder“ von Wolf gesungen und da habe ich dies besonders bemerkt.
Wie ist bei dir die Ausbildung dann weitergegangen?
Ich war dann im Kinderchor. Ich war so ca. 13 Jahre alt und wir haben mit dem Chorleiter Stimmbildung in Gruppen gemacht, was sehr positiv war. Der Chorleiter hat dann zu mir gesagt: entweder du lässt es dabei, denn ich kann dir nicht mehr weiterhelfen, oder du gehst weiter und nimmst Gesangsunterricht.
Ich habe damals schon Turniere getanzt – Jazz und Modern Dance. Ich habe Geige und Klavier gespielt. Meine Eltern haben mir dann gesagt, dass ich mich aus zeitlichen und finanziellen Gründen entscheiden müsse. Mein Vater hat mich gefragt, ob ich Geige spielen oder Klavier lernen möchte. Aus dem Bauch heraus habe ich dann gesagt: ich möchte singen. Ich habe dann leider mit dem Geigenspiel aufhören müssen, was ich sehr bedauere und habe auch das Tanzen runtergefahren. Ich habe aber jetzt in Wien auch wieder zu tanzen begonnen und zwar mit den Schauspielern, um zu erleben, wie sie arbeiten. Bin aber auch im Uni Sportzentrum auf der Schmelz. Das ist sehr interessant.
Glaubst du, dass die Zusammenarbeit der Musikuni mit der Nachbarschaft, dem Reinhardt Seminar in Penzing, intensiviert werden sollte?
Ich würde mich sehr darüber freuen, da ich merke, dass das Tanzen mit den Schauspielern uns gegenseitig befruchtet. Schauspieler können anders auf die Bühne bzw. auf die Tanzfläche gehen. Wir stellen uns im Kreis auf, machen Atemübungen und in dem Moment, wo es heißt: „Musik“, dann gibt es diese Menschen als Privatmenschen nicht mehr. Die explodieren förmlich. Da sind Menschen dabei, die im Privaten total still und etwas reserviert sind und stehen sie auf der Fläche und „Bamm“ – das reißt ungeheuerlich mit. (Rebecca strahlt über das ganze Gesicht und kommt ins Schwärmen.)
Ich finde das so wunderbar – wenn ich als Privatmensch auf die Bühne komme. Dann tritt alles in den Hintergrund.
Das heißt, du würdest jedem Sänger empfehlen auch eine Türe weiter zu gehen.
Ja wenn er das möchte. Es ist aber für das Singen notwendig, auch das Handwerk zu lernen, wie das bei uns in Penzing der Fall ist. Wir haben ja auch wunderbare Tanzkurse, aber mit den Schauspielern ist es etwas anderes, Ich würde es jedem freistellen. Ich habe immer die Sorge, dass man den Schauspielern dann den Platz wegnimmt.
Na gut, du hast dann beschlossen, professionell singen zu lernen. Wie ging es weiter?
Nach ca. 2 Jahren hat mir meine Gesangslehrerin gesagt, dass sie aus meiner Gegend wegziehen würde. Eine Freundin von mir, eine Bratschistin, war zu dieser Zeit im Hochbegabten-Zentrum in Detmold. Ich fand das spannend und hab mich dann selber auf die Prüfung vorbereitet. Ich kam dann mit 17 in dieses Hochbegabten-Zentrum und bestand mit voller Punkteanzahl. Ich wusste gar nicht wie mir geschieht, da ich mich selbst überhaupt nicht einschätzen konnte. Das hat Detmold ausgezeichnet, dass alles im Zusammenhang mit Musik unterrichtet wurde. Ich bin nach dem Abitur für den Bachelor in Detmold geblieben und war in dieser Zeit ein Semester in Wien als Erasmus Studentin bei Regine Köbler. Danach habe ich den Bachelor in Detmold abgeschlossen. Dann habe ich mich entschieden, den Master in Wien zu machen.
Ich habe auf deiner Homepage gesehen, dass du einen Vertrag für die Produktion 2018 der Neuen Oper Wien hast.
Ja ich habe bei Herrn Kobera, nachdem ich das Fach Praktikum Moderne Musik belegt habe, vorgesungen und Anfang Februar geht es mit den Proben los. Ich komme ja aus dem hohen Mezzo Fach und bin jetzt ins Sopran Fach gewechselt. Manchmal singe ich noch hohe Mezzopartien. Die Vorstellung ist dann in Wien in der Kammeroper und in Budapest. Es ist eine Bernstein Oper und die ist phantastisch. Es ist eine kleine Partie und ich finde es gut mit einer kleineren Rolle einzusteigen. Herr Kobera ist superlieb und sehr fördernd bzw. fordernd.
Das heißt, man braucht vor ihm keine Angst zu haben, sondern hat Respekt vor ihm.
Ja genau. Für moderne Musik ist er phantastisch. Ich fühlte mich sehr geehrt wie er mir sagte, dass er es phantastisch fände, wie ich die „Reimann-Vokalise“ gesungen habe.
Du hast aber auch schon bei anderen Produktionen mitgemacht?
Ja an der Uni sowieso. Dies schon in Detmold. Wie z.B. die 2. Dame in der Zauberflöte. Bis November arbeite ich noch in der Kinderoper.
Macht das Spaß?
Rebecca antwortet ganz euphorisch: JAAA Es sind 6 Leute auf der Bühne. 2 Sänger, 2 Schauspieler und zwei Instrumentalisten und ganz ganz viele Kinder.
Ist bei den Kindern eine andere Energie spürbar als bei den Erwachsenen?
Ja sie ziehen einen unheimlich mit, sie kommentieren alles, sie zeigen einem sofort wenn sie was nicht gut finden, aber genauso, wenn sie etwas toll finden. Wenn man nicht authentisch auf der Bühne, ist dann zeigen sie einem das gleich. Es ist auch spannend und interessant, dass Kinder nur ganz kurz applaudieren. Dieses minutenlange Applaudieren und Aufstehen gibt es nicht.
Ich merke an deiner Mimik, dass es dir unglaublich Spaß bereitet.
Ja sehr. Wir spielen das insgesamt 25-mal und es macht immer sehr viel Freude. Es ist jedes Mal anders.
Hast du eine Traumrolle, die dir vorschwebt?
Irgendwann, in 10 oder 15 Jahren würde ich sehr gerne die Violetta singen.
Du hast ja auf deiner Homepage das Fach nicht vermerkt. Du bist von Mezzo auf Sopran gewechselt und bist jetzt ein Koloratursopran.
Ein schwerer Koloratursopran.
Sind diese Einteilungen so wichtig, oder sind sie das, weil die Rollen so definiert sind?
Ehrlich eigentlich nicht, aber wenn man z.B. an einem Opernhaus vorsingt und tut dies in verschiedenen Fächern, dann wissen die damit nichts anzufangen. Die Komponisten haben nicht umsonst die Rollen in Fächer eingeteilt, wie z.B., dass Carmen ein satter Mezzo ist. Ich habe gemerkt, dass die ganzen Mezzo Hosenrollen, wie z.B. Cherubino, zu mir gar nicht passen. Ich finde mich z.B. in der Donna Elvira wieder.
Wo man sich wohlfühlt ist man auch gut.
Ja genau – Ich merke jetzt und ich will das so ausdrücken: meine Stimme kommt nach Hause.
Es ist schön, wenn man es selbst erkennt und da unterstützt wird. Wirst du diesbezüglich unterstützt?
Ja meine beiden Lehrerinnen (Köbler/Fontana) sind da sehr engagiert und machen dies sehr behutsam, was sehr wichtig ist.
Jetzt bist du mitten in der Universitären Ausbildung und träumst von der Violetta. Hast du einen Lieblingskomponisten?
Ja mehrere: Mendelssohn, Mozart sowieso, Bach, Händel, Monteverdi, Verdi .
Eine liebe Mezzosopranistin hat einmal gesagt, dass Barock wie Jazz sei.
Ja ich würde sagen wie Swing. Das lebt, da fängt man an mitzugehen.
Du hast am Anfang gesagt, dass du das Musical gerne hast. Bartolli hat einmal gesagt, dass die West Side Story so ein Zwischenstück am Weg zur Oper sei. Wie stehst du zu dieser Aussage?
Sie hat nicht unrecht. Bernstein ist ja irgendwie so ein Zwischending. Gerade West Side Story sollte man schon recht klassisch singen. https://www.youtube.com/watch?v=Wq32t3TFHX4
Da gibt es ja die Aufnahme von Tiri de Kanava. Die Instrumentalmusik, die er schreibt ist pur Musical.
Sebastian Vitucchi, ein Professor an der Musikuni Wien, hat mir gesagt, dass früher in New York die alten Musicals von klassisch ausgebildeten Sängern gesungen wurden. Glaubst du, sollte man in Wien neben der Opernausbildung auch sehr viel Wert auf die Musicalausbildung legen?
Ja das sollte man. Wenn man sich die Volksoper ansieht, wo ja in Musicals wie z.B. „Kiss me Kate“ Rollen mit Opernsängern besetzt werden. Musical ist etwas anderes, da man doch etwas freier ist, als bei der Oper. Man muss sich bewegen können.
Da schließt sich der Kreis wie du vorher feststelltest mit den Schauspielern.
Ja genau und viele Theater wollen dies mittlerweile. Ich habe ein Vorsingen schon bekommen, weil ich einen Musicalsong dabei hatte.
Du hast ca. 20 Jahre Erfahrung in diesem Metier, würdest du deine musikalische Karriere wieder so gestalten?
Ich stehe ja noch ganz am Anfang meiner Karriere. Ich würde den Fokus vielleicht anders gestalten – ich würde schlichtweg mehr tanzen. Der Beruf der Opernsängerin macht mir viel Freude, es kommt gut an, es ist schlechthin schön.
Ich kann mir vorstellen, dass du Tanz sehr gerne hast, denn du bewegst dich sehr gerne.
(Lacht herzlichst und bejaht dies.)
Du bist kein statischer Mensch.
Nein, eher das Gegenteil.
Hast du Schwächen?
Natürlich, na klar – eine große Schwäche bin ich selber, ich steh mir manchmal auch selber im Weg. Ich bin sehr sehr selbstkritisch, wahnsinnig ehrgeizig, manchmal zu sehr.
Was bist du für ein Sternbild?
Skorpion
Bleiben wir bei den Schwächen – was isst du gerne? Dein Lieblingsgericht?
Wenn ichs mir gönne, dann Lasagne, aber nicht oft.
Nicht süß?
Auch – ich liebe Desserts. Ich bin ein „Dessertmensch“. Ohne dieses ist für mich ein Essen nicht komplett.
Worüber kannst du dich besonders ärgern?
Wenn ich mit mir nicht zufrieden bin, dann werde ich wahnsinnig. Wenn meine eigenen Erwartungen nicht erfüllt werden, was oft wahnsinnig hinderlich ist. Ich bin weniger ärgerlich, wenn andere etwas sagen, nur wenn jemand meine Figur kritisiert, das ärgert mich auch manchmal sehr.
Geschieht das wirklich? Von Frauen oder von Männern ?
Manchmal schon. Von Frauen
Hast du in Wien einen Lieblingsplatz, wohin du dich gerne zurückziehst?
Ich fahre sehr gerne auf den Kahlenberg hinauf oder wo wir jetzt sind, weil es von mir nicht weit weg ist, aber man trotzdem woanders ist.
Nach Grinzing fahre ich gerne und – es klingt ein bisschen makaber – auf den Zentralfriedhof. Beim zweiten Tor, wo auch die Künstler begraben sind.
Hast du Heimweh?
Jetzt gerade ein bisschen, weil die Zeit doch lang war. Aber was ist mittlerweile Entfernung – Zeit, die man investiert. Ich fühle mich hier wahnsinnig wohl.
Willst du noch etwas Spezielles sagen?
Ich bin hier sehr gerne, ich fühle mich hier wahnsinnig wohl, ein Umfeld zu haben, welches mich sehr unterstützt, seien es meine beiden Lehrerinnen, mein Mentalcoach, der für mich sehr wichtig geworden ist, oder meine Freunde, die sehr weit gefächert sind.
Zum Schluss hätte ich noch gerne von dir ein Sprichwort, deine Lebensweisheit.
Was mich im letzten Jahr sehr geprägt hat ist ein Zitat von Astrid Lindgren:
Lass dich nicht unterkriegen, sei frech und wild und wunderbar.
Ich danke für das Gespräch.
Es ist immer wieder ein Erlebnis mit so offenen, wunderbaren jungen Menschen ein Gespräch zu führen. Es ist so bereichernd und ich finde es als einen großen Vertrauensbeweis, wenn sich diese am Anfang ihrer Karriere stehenden Künstler so wunderbar öffnen.
Ich hoffe, dass es mir gelingt, die Leser dieser Interviews an diesen wunderschönen Momenten teilhaben zu lassen.
Nicht nur Rebeccas gesangliche Qualitäten und ihre Bühnenpräsenz, sondern ihre offene Art mit Menschen zu kommunizieren, haben mir die Entscheidung erleichtert, sie einzuladen bei der Jungen Schubertiade Wien 2017 auf der Bühne zu stehen.