Interview mit der Mezzosopranistin Natalia Kawalek im Guest House Vienna am 23.11.2015
Dieses Interview hat mir sehr viel Freude bereitet und ich selbst habe sehr viel daraus gelernt. Ihre offene, freundliche und gewinnende Art ist der Stoff, aus dem neben der nötigen Professionalität, zukünftige Spitzenkünstler gemacht werden. Natalia ist so eine.
Ich habe dich das erste Mal im Schönbrunner Schlosstheater bei einem Klassenabend singen gehört. Damals stellte ich schon fest, dass du eine große Bühne brauchst – hast du diese jetzt?
Manchmal ja, besonders dann, wenn ich im Theater an der Wien singe. Diese Bühne ist groß genug für mich.
Ich meine nicht nur räumlich groß genug, sondern auch eine Bühne mit sehr viel Publikum.
Ja, ich denke schon. Ich hatte in den letzten beiden Jahren die Chance, in der Kammeroper große Rollen zu singen und das bedeutet auch für mich auf einer großen Bühne zu sein.
Und du liebst die große Bühne?
Ja, warum nicht ? Wenn ich die Möglichkeit dazu habe, dann natürlich.
Ich mag aber auch die kleinen Bühnen, denn auf diesen kann man besser die Details erkennen.
Man kann auf kleinen Bühnen nicht nur singen, sondern auch die schauspielerischen Fähigkeiten kommen mehr zur Ausdruck. Das ist mir auch wichtig.
Erzähl mir was von der kleinen Natalia, wollte sie schon im Kindergarten singen?
Ja, singen war für mich immer schon ganz was Natürliches. Ich hatte als Kind sehr viele Komplexe. Ich glaubte ich sei zu dick, nicht schön und mit dem Singen konnte ich das überwinden.
Durch das Singen konnte ich Aufmerksamkeit erreichen und alle haben immer gesagt „Natalia du singst so schön“
Sigmund Freud könnte da sicher mehr herauslesen (lacht herzlich).
Wie hoch ist der Anteil deiner Eltern an deinem Beruf, oder besser an deiner Berufung?
Meine Eltern sind keine Musiker, aber, und das ist sehr wichtig, meine Mutter liebte die Künstler und alles was mit Kunst zusammenhängt. Sie hat mich und meine Schwester immer unterstützt, wenn wir was Künstlerisches planten oder machen wollten. Tanzen, singen, malen, egal welche künstlerische Betätigung, sie hat uns immer sehr unterstützt.
Ich hörte, dass in vielen Familien die künstlerische Ausrichtung von Kindern nicht geschätzt oder genehmigt wurde. Meine Eltern ließen dies alles zu. Sie erkannten das Talent und förderten mich.
Du bist in Polen geboren, wie hat dein Weg zur musikalischen Ausbildung begonnen nachdem dich deine Eltern angespornt haben?
In meiner Heimatstadt gab es eine Musikschule und meine Schwester und ich wollten immer schon ein Instrument erlernen. Meine Schwester hat Klavier gewählt und ich klassische Gitarre. Ich spiele derzeit nicht, aber ich habe, wenn es die Zeit erlaubt, wieder Interesse zu spielen.
Ich habe aber während dieser Ausbildung immer gesungen. In der Schule, im Chor und bei Wettbewerben für Kinder. Gesungen habe ich sicher besser als Gitarre gespielt ;-))) mit 13 oder 14 Jahren hat mich mein Lehrer singen gehört und hat sofort festgestellt, dass das Singen meine Stärke ist.
Daneben habe ich mich aber sehr für Theater interessiert.
In meiner Stadt gab es ein Theater und ich habe immer mitgemacht, was mir große Freude bereitete.
Wir haben da nicht nur Theater gemacht, wir haben auch sehr viel gesungen wie z.B. Musicals.
Mit siebzehn bin ich dann aus meiner kleinen Stadt in Ostpolen nach Krakau gezogen, wo meine Schwester bereits die Ballettschule besuchte. Sie wechselte, obwohl sie sehr gut Klavier spielte, zum Ballett, da Tanz ihre große Liebe ist.
Meine Eltern unterstützten es, dass ich zu meiner Schwester Veronika nach Krakau zog und ich habe mir dort eine Musikschule gesucht. Das war im August und die Aufnahmsprüfungen waren schon vorbei. Ich ging aber trotzdem hin und sagte, dass ich Musik studieren wolle, hatte aber nie im Hinterkopf, klassischen Gesang zu studieren.
Diese Musikschule entspricht einer Musik – High-School (ähnlich unserem Musikgymnasium).
Sie erzählten mir, dass sie noch Plätze für klassischen Gesang frei hätten.
Sie akzeptierten trotz Terminablauf meine Bewerbung.
Weißt du noch, was du vorgesungen hast?
Ja, das ist eine längere Geschichte: In meiner Heimatstadt sollte ich einmal in einer heiligen Messe den Solopart mit Sopranstimme singen. Vor der Aufführung ging der Dirigent mit mir noch das Stück durch und sagte dann: Natalia, du hast eine wunderbare Stimme und du solltest klassische Musik studieren. Das kam für mich sehr überraschend, denn ich dachte immer an die Richtung Jazz oder Musical. Generell Unterhaltungsmusik. Ich hatte damals noch keine Ahnung über Stimmlage, ich sang ganz einfach. Das war das erste Mal, dass ich als Solistin mit einem Orchester gesungen habe.
In diese Schule bin ich 2 Jahre gegangen und dann an die Uni in Warschau.
An der Uni in Warschau habe ich sehr viel Repertoire einstudiert, aber weniger Technik gelernt.
Von der Uni Warschau habe ich auch ein Erasmus Studium in Rom bekommen und absolviert.
Wann und warum bist du nach Wien gekommen?
Vor vier Jahren im Jahre 2011. Wegen Claudia Visca. Ich habe sehr viel von ihr gehört und einmal war ich in einer Masterclass mit ihr, nicht als Teilnehmer, sondern als Zuhörer. Ich fragte sie trotzdem, ob ich ihr was vorsingen könnte. Ich war zu diesem Zeitpunkt aber sehr nervös, sehr unsicher und habe sehr an mir gezweifelt. In dieser Situation habe ich ihr vorgesungen und ihr ok kam damals nicht sehr überzeugend.
Sie ist aber ein Mensch, der immer das Gute erkennt. Ich war für den Beginn des Studiums mit 23 schon über dem Durchschnitt. Ich bin Claudia Visca sehr dankbar, dass sie mir das Studium bei ihr ermöglich hat.
Ich muss das unterstreichen, dass sie das Beste war, das ich in dieser verrückten Welt der Oper gefunden habe.
Ich habe dich vor längerer Zeit in der Dorotheer Kirche Barock Kantaten mit Giardino Amore singen gehört und du bist eigentlich schuld, dass ich begonnen habe, mich dafür zu interessieren.
Macht es dir Spaß, Barock-Musik zu singen?
Ja sehr. Diese Musik ist für mich etwas wie Jazz. Sie ist rhythmisch interessant und ich habe da doch sehr viel Gestaltungsmöglichkeit. Ich kann da meine Ausschmückungen einbringen und weiters gibt es so viele unbekannte Stücke, die ich entdecken kann und denen ich eine neue Qualität geben kann.
Dein Mann ist auch Musiker und Spezialist für Barock.
Mein Mann spielt zwar derzeit die klassische Geige, kann aber auch auf einem Barockinstrument mit Natursaiten spielen. Das ist ein Halbton tiefer.
Was macht dir mehr Spaß die Oper, das Lied oder Barock?
Ich trenne das nicht. Wenn ich zum Beispiel Barock Kantaten singe, dann ist es für mich wie ein kleines Theater. Ich habe eine Geschichte zu erzählen und das mache ich sehr gerne, egal was ich singe.
Hast du Traumrollen?
Ja größere und kleinere Träume. Sehr gerne würde ich die Dorabella in Cosi fan tutte singen.
Ich liebe Mozart.
Sehr gerne würde ich die Händel – Heroinen oder Armida singen.
In der Kammeroper, wo du Ensemblemitglied bist, werden oft moderne Opern und auch Werke in modernen Inszenierungen aufgeführt. Gefällt dir das?
Eigentlich schon, denn ich bin kein Purist. Natürlich ist es schön z.B. Barockopern auch der damaligen Zeit entsprechend aufzuführen, aber es ist auch interessant, damit eine neue, zeitgemäße Geschichte zu erzählen. Da kommen wir näher an die Menschen des 21.Jahrhunderts heran. In der Oper geht es immer um Stimmungen und Gefühle, aber die Umstände wechseln.
Eine Standardfrage meinerseits, wie ist für dich der Bezug zum Publikum und spürst du diesen Kontakt?
Natürlich, der Kontakt zum Publikum ist ganz wichtig und der gegenseitige Energieaustausch.
Wie stehst du zu dem Begriff „Diva“?
Das ist eigentlich ein archaisches Wort und Oper ist nicht mehr das, was sie einmal war. Als Diva würde ich heute vielleicht eine ganz große, charismatische Künstlerin bezeichnen. Maria Callas wäre so ein Beispiel.
Du hast ein kleines, 3-jähriges Kind und bist verheiratet; ist das leicht oder schwer zu managen, da dein Mann ja auch Musiker ist?
Es ist nicht leicht, aber ich möchte nicht in diese Richtung denken. Ich möchte nicht darüber nachdenken, dass es eigentlich schwer ist. Ich kann Prioritäten setzen und es funktioniert.
Ihr lebt in Wien, ist das euer zentraler Hafen?
Jetzt schon, aber wie lange noch, das weiß ich nicht.
Hast du einen Lieblingsplatz in Wien?
Ja es gibt viele Lieblingsplätze. Ich liebe Natur und es mir sehr wichtig, hinauszufahren. Ich liebe den Wald. Ich liebe den Weg vom Cobenzl zum Kahlenberg. Ich liebe die Donau und ich liebe Spielplätze.
Ich schätze das sehr, dass es in Wien viele Plätze für Kinder gibt.
Dein Lieblingsessen ?
Ich esse sehr gerne asiatisch.
Dein Lieblingszitat bzw. Lebensmotto?
Wenn dir das Leben Zitronen beschert, mache Limonade daraus.
Natalia Kawalek wird im Theater an der Wien, das Silvesterprogramm (31.12.2015 19 h 30) unter dem Titel 3 Mezzi
zusammen mit Anne Sofie von Otter und Angelika Kirchschlager bestreiten.