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Agrippina im Theater an der Wien

Eine Oper wie Agrippina, welche über drei Stunden dauert, stellt nicht nur an die Künstler grosse Anforderungen, sondern auch an das Publikum, welches auf oft nicht sehr bequemen Sesseln konzentriert zuhören und zusehen soll.

Nicht so bei dieser Produktion. Der Regisseur Robert Carsen verstand es vom ersten Moment an, beim Publikum einen Wow-Effekt zu erzeugen. Übrigens auch das Balthasar Neumann Ensemble unter der Leitung von Thomas Hengelbrock. Durch die alten Instrumente war es möglich, auch auf einer niedrigeren Frequenz zu spielen, was sich meiner Meinung nach auch sehr positiv auf die Klangfarbe der Künstler, und somit auf das Wohlbefinden des Publikums, auswirkt.

Das imponierende Bühnenbild ist dem unter Mussolini erbauten EUR in Rom nachempfunden. (Es erinnert mich auch das in der Wiener Kärntnerstrasse erbaute Kaufhaus einer Modekette daran.)

In diesem Umfeld spielen sich alle Szenen ab. Einmal ist es das Zentrum der Macht, von wo aus Agrippina ihre Fäden zieht, um ihren Sohn Nerone auf den Thron zu befördern, das andere Mal wieder die Umrahmung für eine Bunga Bunga Party. Selten wird ein Stück so gekonnt in die Jetztzeit mit einem gehörigen Mass an Ironie transponiert.

Es gibt kaum Nebenrollen und die Darsteller brillieren nicht nur durch ihre gesanglichen, sondern auch durch ihre schauspielerischen Qualitäten. Auch die Statisten sind wunderbar besetzt.

Die Mezzosopranistin Patricia Bardon verkörpert die Titelfigur auf sehr authentische Weise. Sie spielt die Intrigantin nicht nur in ihrer Mimik, sondern auch in ihrer Bewegung. Mit ihrer schönen Klangfarbe kann sie stimmlich ihre Rolle auch sehr gut herausarbeiten.

Danielle de Niese als verführerische Poppea überzeugt ebenfalls wie ihr Liebhaber Ottone, welcher vom Countertenor Filippo Mineccia dargestellt wird.

Mika Kares als Claudio gelingt es wunderbar, sowohl mit kräftiger und sicherer Bassstimme, als auch schauspielrisch, einen Verschnitt aus Mussolini und Berlusconi darzustellen.

Der junge Bassist Christoph Seidl als Lesbo verkörpert den immer unter Stress stehenden und manchmal verzweifelten Diener. Eine saubere gesangliche Leistung.

Der Star des Abends, und auch mit dem meisten Applaus bedacht, war eindeutig der dem JET (Junges Ensemble Theater an der Wien) angehörende Countertenor Jake Arditti, in der Rolle des Nerone.

Seine Stimme ist abseits von schrill gesungenen Tönen sehr rund und mit einer wunderbaren Stimmfarbe versehen. Selbst allerschwierigste Koloraturen singt er ganz sicher ohne unangenehmen Registerwechsel.

Es gibt nicht sehr viele gute Countertenöre, aber er ist am besten Wege, sich in diese Liga emporzusingen.

Ein Stück, welches uns vor Augen hält, dass sich die menschlichen Eigenschaften, sowohl die guten als auch die schlechten, über Jahrhunderte hinweg nicht geändert haben und wahrscheinlich auch nicht ändern werden.

So gesehen empfehle ich jedem, sich auf den gar nicht so schlechten Sesseln des TAW 3 1/2 Stunden gut zu unterhalten. Es lohnt sich wirklich . 

 

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