Interview Sanna Matinniemi am 10.10.im Guest House Vienna
Liebe Sanna Du bist in Finnland geboren, bist Du dort auch aufgewachsen?
Ja das bin ich – in Juankoski. Ich bin mit 16 Jahren umgezogen. Das ist sehr jung, aber ich wollte Sängerin werden. Meine Stadt ist mit 5000 Einwohnern sehr sehr klein und dort kann man nicht Musik studieren. Daher musste ich alleine umziehen.
Schon mit 7 Jahren wollte ich Sängerin werden.
Wieso so zeitig, hast du spezielle familiäre Beziehungen oder hast du in der Schule eine besondere Lehrerin oder Lehrer gehabt?
Ja, ich komme aus einer musikalischen, aber nicht professionell ausgebildeten Familie. Meine Mutter hat eine wunderschöne Stimme mit einer sehr schönen Klangfarbe. Sie hat mich immer mit einem Gesang in der Früh geweckt, das war sooo schön, wenn sie mir was vorgesungen hat. (Sanna kommt da ins Schwärmen und ich bin sicher, dass hier unbewusst der Grundstein für ihre spätere Berufswahl gelegt wurde.) Mein Vater ist Jazzmusiker.
Wohin bist du dann mit 16 Jahren umgezogen?
Ich bin alleine nach Kuopio umgezogen und ich habe im Konservatorium begonnen Gesang zu studieren. Ich habe schon mit 13 Jahren einige Konzerte gesungen und ein Professor vom Konservatorium hat mich gehört. Er kam im Anschluss zu mir und sagte: Du musst klassische Sängerin werden. Er hat mich zur besten Lehrerin, Prof. Marjatta Airas gebracht und ich habe auch den Platz bekommen. Ich habe mit 16 angefangen und habe bei ihr bis zu meinem Umzug nach Wien studiert. Ich habe alleine in einer Wohnung gewohnt.
Deshalb bist du so selbständig
Ich glaube schon. Ich war natürlich sehr jung und habe mich auch für andere Dinge und Genres interessiert. Ich musste den Zugang zur Oper erst wirklich lernen.
Wieso fiel deine Wahl dann auf Wien?
Meine Professorin hat gesagt: Du gehst nach Wien.
Ich kannte die Stadt nicht, ich konnte kein Deutsch (Sanna spricht ein wunderbares fast akzentfreies Deutsch) und bin einfach nach Wien gekommen. Ich kannte keine Professorin und keinen Professor und habe ganz einfach gesungen.
Prof. Sebastian Vittucci hat dich daraufhin ausgesucht
Ja, ich habe vorgesungen wie alle anderen und er hat mich dann genommen .
Da hat er eine gute Auswahl getroffen.
Ja, ich war sehr froh, ich wusste auch nichts über Wien.
Die Finnen gelten allgemein als sehr wortkarg. Bei dir dürfte das anders sein
Na ja, die Finnen meinen, dass Leute die viel sprechen, Aufmerksam heischen wollen. Es gilt die Devise: je weniger du sprichst, desto mehr denkst du. Ich persönlich denke sicher mehr als ich spreche, obwohl ich doch manchmal viel spreche (lacht).
Hast du gerne Kontakt zu Menschen?
Ja, manchmal, aber ich brauche auch sehr viel Zeit alleine. Ich liebe und brauche auch die Zeit und die Einsamkeit in der Natur. Der Tag ist sehr hektisch und da brauche ich meine Ruhe. Daher ist mir das Zuhause auch sehr wichtig- zB hier in Wien. Ich möchte schön wohnen. Immer frische Blumen. Das ist mir sehr wichtig.
Du postest oft Fotos mit der Einsamkeit in der wunderschönen Natur deiner Heimat.
Ist da auch ein Zeichen von Heimweh?
Natürlich habe ich oft Heimweh. Ich vermisse meine Familie, meinen kleinen Bruder und natürlich auch die Natur. Mein kleiner Bruder ist musikalisch super talentiert, aber er studiert an der Uni Management. Ich wusste immer, dass er soo talentiert ist und ich war so froh als er mich angerufen hat und gesagt hat, dass er eine Rolle am Theater bekommen hat, wo er singen, tanzen und schauspielern wird. Ich war so froh und glücklich darüber (Sanna kommt richtig ins Schwärmen und ihre Augen beginnen zu leuchten). Meine Eltern sind so große Unterstützer für mich, sie haben immer an mich geglaubt. Dieser Rückhalt in der Familie ist für mich sehr wichtig. Schon in ganz jungen Jahren haben sie mich immer gepuscht und unterstützt.
War es ein Kulturschock, als du nach Wien gekommen bist?
Natürlich, ich komme wirklich aus einem kleinen Ort in Finnland und plötzlich eine grosse Stadt mit U-Bahn, Strassenbahnen, vielen Restaurants, vielen Menschen. Ich vermisse natürlich auch die Stille in meiner Heimat, aber ich kann auch hier meine Ruhe finden.
Ich habe dich das erste Mal bei einem Klassenabend singen gehört und da gefiel mir deine Klangfarbe so gut. Ich habe dich aber auch Musical singen gehört.
Hast du ein Lieblingsfach oder willst du alles ausprobieren?
Eigentlich habe ich mit Schlager und Jazz angefangen und ich liebe Jazz immer noch.
Ich liebe alle Sparten, Oper, Jazz, Musical und natürlich auch das Lied.
Hast du beim Lied einen Lieblingskomponisten?
Es gibt so viele verschiedene aber ich liebe diese Vielfalt. Ich liebe Brahms und natürlich Schubert. Aber es gibt so viele und ich vertraue meinem Bauchgefühl. Bei den Komponisten liebe ich Dvorak und natürlich gibt es auch viele russische Komponisten, die mir gefallen.
Du hast heuer in Finnland einen großen Wettbewerb gewonnen, erzähle mir was darüber
Ich habe mir Stücke ausgewählt, dich ich liebe zu singen und auch zu hören und ich wollte nicht mit irgendwelchen technischen Tricks agieren. Es gab beides: Lied und Oper. Das Ergebnis war, dass das Publikum geweint hat. Das ist mir eine Ehre und das will ich auch. (Beim sehr emotionalen Erzählen ihrer Einstellung zu Musik und Publikum bekam ich eine Gänsehaut.)
Ich habe auch zB Ruzalka gesungen und habe auch viel darüber mit Sängerinnen aus der Jury gesprochen. Ich singe auch sehr gerne finnische Lieder.
Es geht jetzt weiter und ich habe ein Engagement in Finnland bekommen. Es ist für Sommerfestspiele auf 2 Jahre in Finnland ab 2017 und ich habe auch jetzt schon Einladungen zu Konzerten bekommen. Es ist also wieder einen Schritt weiter gegangen.
Gibt es einen Unterschied zwischen dem finnischen und dem Publikum hier?
(zögert etwas mit der Antwort) Ja doch. Finnen sind doch etwas mehr zurückhaltend. Diesmal habe ich das jedoch nicht gemerkt, denn es gab sogar Standing Ovations.
Was bedeutet Publikum für dich?
Das ist eigentlich Alles. Alleine bin ich nichts. Ich kann alleine in der Dusche singen. Das ist zu wenig.
Spürst du, ob das Publikum bei dir ist?
Natürlich, es ist immer sehr verschieden. Ich will nicht die Gesichter des Publikums sehen, sondern ich will spüren, wie ich ankomme. Wenn ich übe, das ist Therapie für mich, wenn ich vor Publikum singe, dann ist es Therapie für das Publikum.
Singst du gern auf großen Bühnen mit vielen Leuten oder singst du lieber auf kleinen Bühnen, zB bei Liederabenden?
Es ist viel schwieriger mit wenigen Leuten. Natürlich ist es schön, aber auch schwieriger.
Hast du Träume?
Natürlich, die habe ich immer gehabt und die braucht man auch. Immer vorwärts gerichtet.
Hast du Vorbilder?
Natürlich habe ich die. Ich glaube, mein größtes Vorbild ist die finnische Sopranistin Karita Mattila.
Ich liebe sie, auch vom Charakter her. Sie hat auch Persönlichkeit und hat auch eine große Karriere gemacht. Sie ist nicht hochnäsig.
Was ist dein Lieblingsessen?
Ich habe mir gedacht, dass du das fragst. Einfach Heidelbeeren (lacht). Mein Lieblingsessen ist, was jemand anderer für mich kocht.
Hast du ein Traumland wohin du immer schon fahren wolltest, aber noch nie gewesen bist?
Ich habe kein bestimmtes Land. Ich bin sehr neugierig.
Hast du ein Lieblingszitat oder ein Lieblingssprichwort?
Oh ich habe viele; ich liebe Sprichwörter.
Ilossa elettävä, joskin päivää vähemmän
Frei übersetzt:
Das Leben ist kurz, aber mache das Beste daraus.
Wie sieht deine weitere Zukunft aus?
Ich mache hier den Bachelor und dann werden wir sehen. Man ist nie fertig und ich bin Perfektionist.
Ich weiß was ich kann und nicht kann und ich kenne meine derzeitigen Grenzen.
Ich will auf der Bühne ehrlich sein und Emotionen erwecken. Nicht Show. Ich will keine Tricks.
Danke für das Gespräch
Dieses Interview hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, den Menschen hinter dem Künstler kennen zu lernen. Seine Gefühle, seine Gedanken, seine Ängste und seine Träume. Erst dann wird man ihn auch mit anderen Augen auf der Bühne erleben. Ich habe während des Interviews sehr viel über Sanna gelernt und ich schätze sie jetzt noch mehr. Sie ist ehrlich und geradlinig wie die finnische Natur und will nicht sein, was sie nicht ist. Sie will nicht Diva sein, denn Diva muss man sich verdienen und das geht halt noch nicht als Studentin.
Ich schätzte ihre klaren und direkten Aussagen und bin über ihre Offenheit sehr dankbar.