Arnheiður Eiríksdóttir

Interview Arnheiður Eiríksdóttir, isländische Mezzosopranistin, am 11.5.2016 Guesthouse Vienna

Liebe Adda (danke dass ich dich so nennen darf), deine Kollegin Cecilia Bartoli wird heuer in Salzburg die Maria in der West Side Story singen. Sie bezeichnet die West Side Story als ein Stück auf dem Weg zur Oper.

Was sagst du dazu und wie stehst du zu ihrer Aussage? Somewhere wurde z.B. auch von Marilyn Horne gesungen, das ist doch auch eine ausgebildete Opernsängerin.

Die Bernstein Musicals sind eigentlich wie Opern, da sie sehr schwer zu singen sind.

Man braucht z.B. bei der Arie in „Trouble in Tahiti“ von Bernstein, die ich gerne singe, eine klassische Ausbildung, sonst kann man die nicht professionell singen.

Dein Professor Sebastian Vittucci  hat mir erzählt, dass früher in New York die Musicals mit klassisch ausgebildeten Sängerinnen und Sängern besetzt wurden. Die Frage nun an dich, wäre es nicht notwendig, auch das Musical in die klassische Ausbildung miteinzubeziehen? Wird das gemacht oder ist das vom jeweiligen Professor abhängig?

Ich glaube, es ist leider nur vom Professor abhängig, aber es wäre wirklich notwendig, denn in kleineren Opernhäusern wird das auch von uns erwartet. Es ist weiters auch ein guter Zugang zur Freiheit in der Musikalität. Ich merke das bei mir selbst, wenn ich Musical singe, dann gebe ich mich freier. Ich erlaube mir mehr an Musikalität. Ich kann mehr von mir geben, da man fast alles machen darf. Es ist ein schönes und interessantes Spannungsfeld, wenn man von der Freiheit im Musical dann wieder in die Strenge der Klassik zurückkommt.

Es war Bernsteins Credo, dass man den Menschen durch den Rhythmus befreien soll – das ist das, was du jetzt gesagt hast.

Genauso ist es.

Gehört zur derzeitigen Opernausbildung auch eine Tanzausbildung?

Ja, wir haben jede Woche Tanzausbildung und das ist auch notwendig, denn man muss auch wissen, wie man sich auf der Bühne bewegt. Man sieht bei einem Sänger auf der Bühne, ob er eine dementsprechende Tanzausbildung hat.  Man sieht das in Körperhaltung und Bewegung. Diese wöchentliche Tanzausbildung  haben wir in der Gesangsklasse für den Bachelor. Ob man diese Ausbildung beim Master auch hat weiß ich nicht genau, aber beim Bachelor sind es 1,5 Stunden pro Woche. Wir lernen auch viele Ballettschritte, denn die Professorin möchte, dass wir vom Ballett ausgehend die Körperhaltung lernen.

Gehen wir gemeinsam zurück zu deinen Wurzeln – hast du in Island deine Grundausbildung erhalten?

Ja, ich habe mit einer Pianisten-Ausbildung begonnen und irgendwann habe ich gemerkt, dass ich gerne in einem Chor in einer Kirche singen würde und das habe ich dann auch gemacht. Mit ca. 15 Jahren habe ich gemerkt, dass die ja alle Gesangsunterricht nehmen und ich wusste sofort, dass ich das auch machen muss. Ich hatte ein wenig Angst davor und ich habe dann zuhause mit wöchentlich einer halben Stunde begonnen. Der Chorleiter Jón Stefánsson hat mir dann Solostücke zu singen gegeben. Er ist eigentlich der Hauptgrund für den Beginn meiner Gesangsausbildung.

Am Anfang waren es so kleine Solostücke und dann Arien, welche ich in Oratorien gesungen habe.

Irgendwann hat das Singen das Klavierspiel „überholt“. Wenn ich als Pianistin aufgetreten bin, war ich immer etwas nervös. Als ich dann das erste Mal als Sängerin auf der Bühne stand war mir klar: „das ist es“. Als ich das erste Mal in Reykjavik im Kostüm auf der Bühne stand durchfuhr mich so ein angenehmes, nicht stressiges Gefühl und von da an wusste ich genau: da gehöre ich hin. 

Das muss ein herrliches Gefühl sein.

Ja, vor Allem, weil ich als Pianistin immer Angst hatte vor dem Auftritt und als Sängerin überhaupt nicht.

Hattest du immer die Unterstützung deiner Familie?

JA (das kommt ohne das geringste Zögern).

Mein Vater ist Trompeter und meine Mutter ist ausgebildete Schauspielerin. Mein Vater lebt für und vom Spielen und meine Mutter ist jetzt Lehrerin in einer Grundschule. Beide sind der Meinung, dass man das, was man will, auch machen soll. Sollte das nicht klappen, dann findet man etwas anderes.

Warum bist du in Wien?

Meine Lehrerin in Island wollte eigentlich, dass ich nach Utrecht in Holland gehen sollte, da sie dort eine Lehrerin kannte. Das hat mir dann nicht so gut gefallen und sie meinte, dass ich ja auch nach Wien gehen könnte. Mein oben erwähnter Chorleiter hat auch in Wien studiert. Da dachte ich mir cool, das wäre doch toll auf dem CV (lacht herzlich). 

Ich habe dann die Aufnahmeprüfung ohne Vorbereitung und ohne einen Lehrer zu kennen, gemacht und habe mich in diese Stadt verliebt. Damals haben die Aufnahmeprüfungen noch lange (10 Tage) gedauert und diese Zeit habe ich genützt, bin oft in die Staatsoper gegangen und habe die Stadt kennengelernt. Das war das erste Mal in Wien. An der Uni wurde ich gleich genommen.

(Anm.: Sebastian Vittucci hat da wirklich eine gute Wahl getroffen und wie ich das einschätze schätzen sich beide gleichermaßen.)

Wo ist derzeit dein Lebensmittelpunkt?

Ich spüre, es ist Wien. Hier habe ich meine Sicherheitsnetze, welche ich brauche. Diese waren in Island meine Familie rund um mich und hier habe ich immer mehr Freunde gefunden. Irgendwann war dies einmal zweigeteilt. An einem Ort habe ich den anderen und umgekehrt vermisst.

Irgendwann ist es passiert, ich glaube es war ein langsamer Prozess, dass sich Wien als Lebensmittelpunkt herauskristallisiert hat, obwohl ich natürlich meine Familie vermisse.

Du hattest gewisse Vorstellungen an diesen Beruf. Sind deine Erwartungen erfüllt worden?

Ich weiß nicht, ob ich das jetzt schon beantworten kann, da ich ja noch im Studium bin, aber bis jetzt JA. Es war für mich eine Überraschung, da ich glaubte, diese Divas auf der Bühne wissen schon was sie tun, aber ich lernte, dass dies nicht für jeden immer selbstverständlich ist und immer harte Arbeit dahintersteckt.

Bleiben wir beim Gesang: welche Richtung bevorzugst du?

Für mich das Ideal wäre Opern zu singen, aber immer wieder Liederabende zu geben. Die Musikalität, welche von Liedern ausgeht, ist für mich sehr wichtig. Ich liebe es natürlich auch, als Charakter im Kostüm auf der Bühne zu sein. Mit einem Orchester zu singen, das ist natürlich sehr erstrebenswert.

Ich habe sehr gerne Mozartopern und spätere.

Du hast während des Singens eine starke Körpersprache. Ist das angelernt, oder eine instinktive Interpretation deinerseits?

Ich denke nicht an eine Choreographie, wenn ich singe. Meine Bewegungen kommen durch die Musik automatisch. Dieses Paket von Musik und den damit verbundenen Bewegungen möchte ich dem Publikum vermitteln. Das ist für mich Musikalität, wenn die Bewegungen durch die Musik fließen.

Du bist eine attraktive, junge Frau und mir fällt auf, dass du in deinen Profilen niemals „Photoshop“ geschönte Bilder verwendest.

Vielleicht sollte ich mehr Eigenwerbung betreiben, aber du siehst ja, dass ich meine Profil-Fotos kaum ändere.

Dies gefällt mir sehr gut, denn das Wesen, oder sagen wir die Seele eines Menschen, kann man nicht durch Photoshop übermalen. Da wird man unglaubwürdig.

Es wird in dieser Welt sehr viel Wert auf Äußeres gelegt und z.B. beim Vorsingen muss man darauf Rücksicht nehmen.

Ich schätze sehr, dass das Publikum nicht durch eine Lüge getäuscht wird. Cecilia Bartoli hat einmal auf eine ähnliche Frage geantwortet, dass das Publikum, nachdem es einen gesehen hat, sich bei schlechter Musik langweilt, wenn das Können hinter dem Aussehen zurücksteht. Gut aussehend und dann ……. ? 

Hast du eine Traumrolle?

Ja, ich denke immer an den Octavian, ich würde ihn so gerne singen. Es gibt eigentlich 3 Rollen:

eben Octavian im Rosenkavalier, Charlotte im Werther und La Cenerentola in der gleichnamigen Rossini-Oper.

Hast du beim Lied Favoriten?

Sehr gerne habe ich Schumann – Frauenliebe und -leben - und Brahms-Lieder. Meine Seele berühren auch sehr die Mahler-Lieder, die habe ich sehr gerne.

Es ist so unterschiedlich. Es gibt Wochen, da beschäftige ich mich Mahler, dann wieder mit Schubert. Vielleicht hängt es davon ab, ob die Sonne scheint oder nicht.

Hast du in Wien einen  Lieblingsplatz?

 

Ja, das sind die schönen Parkanlagen. Das habe ich sehr gerne an Wien, dass man so viel Natur haben kann, aber trotzdem in einer Stadt ist. Ich liebe Stadtpark, Burggarten, Volksgarten, das sind so meine Lieblingsorte in Wien.

Suchst du in deiner Heimat Island die Einsamkeit der Natur?

Ich bin nicht so ein „Einsamkeitsmensch“. Ich brauche Leute.  Von meinem Wohnzimmerfenster in Reykjavik schaue ich direkt aufs Meer. Das bringt schon Ruhe. Das Meer vermisse ich manchmal in Wien.

Hast du irgendwelche Schwächen? 

JA, ich denke zu viel und denke über zu viel nach. Wenn ich aber die richtigen Leute um mich habe, da kann ich mit dem zu viel Denken aufhören.

Was sind deine Stärken?

Meine Schwächen sind auch zugleich meine Stärken. Das bedeutet, dass ich mich sehr gut vorbereiten kann.

Worüber kannst du dich besonders ärgern?

Das ist schwer. Ich ärgere mich gar nicht so gerne (lacht), aber wenn, dann über Gemeinheit und Negativität. Wenn z.B. Leute in Produktionen nur das Negative sehen.

Dein Lieblingsgericht ?

 

Mariniertes, gegrilltes Schweinefleisch mit kaltem Kartoffelsalat.

Sag mir bitte ein Sprichwort.

Das Leben ist nicht nur schön, sondern sogar ein Tanz auf Rosen

Meine letzte Frage: Stimmt es, dass du in Island nicht mehr singen darfst, da sonst die Gletscher schmelzen?

Lacht herzlich.

Danke Adda für dieses offene und erfrischende Interview. Deine positive Einstellung zum Leben ist ansteckend und auch deshalb hat mir das Interview sehr viel Freude bereitet.

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