Interview Josipa Bainac, 22.Februar 2016, im Guest House Vienna
Josipa war im Krieg Serbien gegen Kroatien noch ein Kind und hat die Schrecken und die Not während dieser Zeit mitbekommen. Sie sah die Leichen auf den Straßen liegen, musste mit ihrer Mutter vor den Panzern in den Keller flüchten und trotzdem wurde aus ihr ein wunderbarer, verständnisvoller, emphatischer Mensch ohne Hass und voll Sehnsucht nach Frieden. Sie erzählte mir viel über ihre Familie und ich bin sicher, dass sie aus dieser die Kraft schöpft, die sie als Künstlerin braucht. Ein Mensch, der das Gute im Menschen sieht und dann sehr traurig ist, wenn er sich geirrt hat.
Genug der Worte, machen sie sich selbst ein Bild.
Josipa, es gibt zwei Gründe, warum wir hier sitzen.
Erstens ist mir beim letzten Klassenabend aufgefallen, dass deine Stimme immer besser wird und weiters beschäftigst du dich auch wissenschaftlich mit der Stimme und willst diese auch perfektionieren. Willst du Belcanto wissenschaftlich auch erforschen?
Ja ich möchte es, da ich der Meinung bin, dass jeder Beruf, und so auch der Gesang, sich immer weiterentwickeln muss. Wie z.B. bei den Instrumenten die Instrumentaltechnik oder der Instrumentenbau. Die haben sich immer weiter entwickelt und ich habe das Gefühl, dass beim Gesang diese Entwicklung nicht so stark ist. Die Leute haben durch große Erfahrung, gute Professoren und durch Können gewisse Gesangstechniken entwickelt. Aber ich glaube, es ist nicht so eine starke Entwicklung wie z.B. bei der schon erwähnten Entwicklung der Instrumente.
Fangen wir aber von vorne an: Du kommst aus dem Osten Kroatiens und hast vor 2 Jahren deinen Abschluss gemacht. Hattest Du schon als Kind Interesse zu musizieren?
Ja ich hatte schon immer Interesse, denn man Vater ist als klassischer Gitarrist sehr gut ausgebildet. Er hat immer klassische Werke, meistens von J.S. Bach (seinem Lieblingskomponisten) und alle spanischen Komponisten gespielt. Er hat mich immer unterstützt, dass ich zuerst Singen lerne und dann hat er mich auch Gitarre spielen gelehrt. Dann habe ich an der Schule für Gitarre inskribiert. Bis zum 14.Lebensjahr habe ich nur gespielt und dann auch mit Gesang begonnen. Es hat dann in meiner Heimatstadt ein Musikgymnasium eröffnet und das war dann der Beginn einer Idee.
Bist du irgendwie erblich musikalisch belastet?
Meine Urgrossmutter war sehr aktiv in Kultur involviert. Sie hat viele Konzerte organisiert, war auch in der Kirche sehr engagiert und ist sehr oft nach Wien gefahren. Mein Opa, ihr Sohn, ist Schriftsteller und dessen Bruder ist ein Maler. Meine Schwester spielt Klarinette und mein Bruder Klavier. Mütterlicherseits ist die Orientierung mehr wissenschaftlich und wirtschaftlich.
Die Leser dieser Zeilen interessiert auch immer, warum sich Künstler dazu entschließen nach Wien zu gehen.
Ich habe immer über Wien gelesen. Der Opa hat sehr viel über Eisenbahnen geschrieben und hat auch im Radio über Opern gesprochen. Im Museum hat er sehr viel über Musik in Wien erzählt. Er spricht auch sehr gut Deutsch. So wurde mein Interesse für diese Stadt geweckt. Mir wurde Wien als die Kulturhauptstadt vermittelt. Als ich dann älter wurde, interessierte ich mich immer mehr für die Musik und habe viele Videos über Konzerte und so auch über die Staatsoper gesehen. Ich habe viel darüber gelesen und habe dann auch erfahren, dass es in Wien eine Professorin namens Claudia Visca gibt. Ich habe von meinem Freund Matija Meic und seiner Freundin Martina Menegoni aus Kroatien gehört, dass Frau Visca an der Uni Wien sehr gut Gesangstechnik unterrichtet. ( Anm. Matija Meic (Bariton) ist schon bei der Jungen Schubertiade Wien 2014 aufgetreten und war zuletzt zusammen mit Martina (Mezzo) am Nationaltheater Zagreb engagiert, Matija als Figaro und Martina als Cherubino.)
Ich bin an die MDW gekommen, um mich weiter professionell auszubilden und ich bin sehr zufrieden.
Weißt du noch, was du bei der Aufnahmeprüfung gesungen hast?
Ich habe Widmung von Schumann, das Ständchen von Brahms (singt es mir vor), von Monteverdi Laudate Dominum und Bach aus der Matthäus Passion – Ich will dir mein Herze schenken --gesungen. Begleitet hat damals Matthias Lademann. Ich muss sagen, dass bei der Aufnahmeprüfung alle Lehrer sehr nett waren und ich volle Unterstützung bekommen habe.
Wenn du in Wien nach ca. 2 Jahren deinen Abschluss machen wirst, was hast du dann für Ideen und Ziele?
Ich will natürlich aktiv singen, aber auch weitere wissenschaftliche Untersuchungen machen. Mein Wunsch ist es, auch den PhD über Gesangsmethoden zu machen.
Das bedeutet, du willst auf der Bühne stehen, dich aber auch wissenschaftlich betätigen. Willst du auch unterrichten?
Vielleicht später einmal, denn unterrichten ist eine ganz große Verantwortung. Ein Instrument zu unterrichten ist schwer, aber bei Gesang hast du eine ganz große Verantwortung. Die Leute die kommen wissen schon, was sie im Leben machen wollen. Daher ist es die große Verantwortung, diese Menschen auf den richtigen Weg zu bringen. Deshalb muss man selbst eine große Erfahrung haben und diese nicht nur im Zusammenhang mit Gesangstechnik, sondern auch in Bezug auf Auftreten, Verhalten und äußere Erscheinung.
Singst du lieber Oper, Oratorium oder Lied? Wo glaubst du dass deine Stärken liegen?
Von allen Künsten ist meine große Liebe die Poesie und daher orientiere ich mich auch in Richtung Lied. Wenn wir natürlich nur über Gesang sprechen, liebe ich Oper und Oratorium gleich stark. Ich mag Puccinis Opern. Lied ist halt für mich Poesie.
Ich kenne dich derzeit nur von Klassenabenden. Bist du auch außerhalb von Klassenabenden schon aufgetreten?
Ja ich bin in Kroatien viel aufgetreten. Ich erinnere mich mit viel Liebe an meine Auftritte mit dem Kroatischen Jungen Orchester Zagreb als Solistin. Dort habe ich als Solistin viel Mozart gesungen.
In Wien mache ich sehr viel Konzerte mit dem Collegium Musicum.
Von mir eine Standardfrage, aber eine sehr wichtige: Wie baust du deine Energie zum Publikum auf?
Ich muss wach sein. Wir haben schon oft gehört, dass Kunst Ausdruck von Gefühlen und von Intentionen ist. Für mich ist das eine intelligente Ausdrucksweise und diese muss sehr wach und aufmerksam erfolgen. Ich spüre, wenn die Leute wach und aufmerksam sind und das möchte ich durch meinen Gesang erreichen. Bei großen Komponisten ist das relativ leicht. Musik ist schon wie gesagt eine intelligente Ausdrucksweise. Große Komponisten wie z.B. Beethoven oder Mozart haben ihre Werke so geformt, dass diese von allen verstanden werden. Es ist leichter, die Expressionen von großen Meistern zu vermitteln, denn die haben das perfekt beherrscht.
Die Frage drängt sich jetzt auf: Wie stehst du zu Contemporary Musik – kann man da auch Gefühle vermitteln?
Ich definiere das so: Contemporary Music ist die Musik, die ich jetzt singe und das kann auch Beethoven sein. Was du jetzt, im Moment hörst, ist für dich Wahrheit.
Machst du dir Gedanken, wie man Oper oder speziell das Lied für das Publikum attraktiver gestalten könnte?
Um das zu beantworten muss man eingestehen, dass heutzutage 80 % der Unterhaltung von Menschen über Screens konsumiert wird. TV, Smartphones, Tablets. Dort schaut man Music Spots. Das geht alles sehr schnell, das ist wie Hypnose. Für Menschen muss alles schnell gehen. Darauf ist auch alles ausgerichtet: z.B. die U-Bahn. In Wirklichkeit nimmt das die Zeit, denn in der U-Bahn macht man nichts.
Gehen wir jetzt zur Oper, das ist wie ein3-stündiger Live-Film. Die Oper lebt, da die Künstler, Sänger und Instrumentalmusiker was Lebendiges geben. Das ist Live-Performance. Oper lebt zusammen mit den diversen Kunstfertigkeiten. Oper kann attraktiver werden, wenn die Sänger ihr Talent permanent verbessern und das in jeder Beziehung. Gesang, Ausdruck, Bühnenpräsenz und die Regie müssen menschlich sein. Die Regie muss immer im Rahmen vom Komponisten bzw. Libretto bleiben. Der Regisseur muss viel von Oper und Gesang verstehen, aber wir müssen auch die Regisseure verstehen, denn heute ist es sehr schwer, das Publikum, welches schon alles gesehen und gehört hat, zu fesseln. Die Regie muss immer so sein, dass der Sänger oder generell der Künstler sein Maximalpotential an Stimme und an Ausdruckskraft zeigen kann. Die Leute kommen in erster Linie wegen Gesang und Musik in die Oper. Das ist nun mal der erste Beweggrund.
Du hast im letzten Jahr einen sehr beachteten Vortrag in Kopenhagen zum Thema Stimmung bzw. Tonhöhe gehalten. Kannst du uns bitte kurz erzählen, was du darunter verstehst?
Ich beschäftige mich mit 2 Faktoren: der eine ist Standardtonhöhe und der zweite ist das Temperationssystem, welches wir heute nutzen. Wenn wir über Tonhöhe sprechen, die hat im Laufe der Geschichte sehr oft gewechselt und wir können heute nicht sagen, welche ein Künstler präferiert hat.
Ich sehe das so: jedes Instrument ist so gebaut, dass es in einem gewissen Bereich exzellent klingt. So ist unser Körper auch gebaut. Jeder hat seine Tessitura (https://de.wikipedia.org/wiki/Tessitur)und seine Ton-Bandbreite. Aber so, wie wir 2 Augen, zwei Hände oder 2 Beine haben, so haben wir eine Stimme, die in einem bestimmten Frequenzbereich am besten zur Geltung kommt. Das funktioniert nicht nur über akustische Effekte, sondern auch über die Komposition. Die Komponisten, welche sehr gut über die Stimme Bescheid wissen, wissen genau, wo z.B. die Passagios (Anm. Übergang von einem Register in das andere) sind. Wann wird der Künstler in ein anderes Register wechseln. Wo ist das genau im Libretto. Wenn wir z.B. die Standardtonhöhe ändern, stimmt diese dann nicht mehr mit der Idee des Komponisten überein. Der Komponist wusste genau, dass an einer gewissen Stelle die Stimme vom Brustregister ins Kopfregister übersetzt, um damit die gewünschte Emotion zu erzeugen. Wenn wir das ändern, dann wechselt die Stimme nicht in dem vom Komponisten gewünschten Takt von einem Register in das andere.
Das war für mich eine Kernaussage
Der Komponist wusste genau, mit welcher Tonhöhe und in welchem Takt er Stimmungen und Emotionen beschreiben will.
Große Vorbilder sind hier Verdi, aber auch Puccini. Von Mozart weiß ich es nicht genau, denn ich habe ihn nicht getroffen.(lacht)
Ich übe zum Beispiel mit einem historischen Klavier. Ich merke, dass die Stimmentwicklung besser und auch einfacher ist. Der Sänger erreicht mit einem geringeren Aufwand ein Maximum an Klang.
Natürlich kann heute eine professionelle Sängerin ohne Probleme die Stimme dem Orchester anpassen, aber der Ton wird in einem etwas niedrigeren Frequenzbereich runder und es ist auch nicht so anstrengend, bzw. schonender für die Stimmbänder (Anm.: das hat mir auch Olga Peretyatko aufgrund meiner von ihr erbetenen Meinung zu diesem Thema bestätigt).
Ich zeichne oft auch bei meinen Übungen auf und man merkt die andere Frequenz nicht in der Tonhöhe, sondern in der Klangfarbe. Wenn ich Konzerte mache, bevorzuge ich die Begleitung auf dem historischen Klavier und singe dann in der sogenannten Verdi-Stimmung (432hz).
Ich werde mich auch in Zukunft mit dem Temperationssystem beschäftigen, aber das ist jetzt ein ganz anderes Thema.
Du hast viel vor und daher noch einmal zurück zu dir persönlich. Lebst du gerne in Wien?
Ja ich lebe gerne in Wien, da es wirklich eine wunderschöne Stadt ist.
Was gefällt dir besonders?
Das Dorotheum (lacht). Ich gehe wirklich gerne dorthin und ich gehe auch gerne in die österreichische Nationalbibliothek.
Was machst du gerne in deiner Freizeit, wenn du nicht gerade im Dorotheum oder in der Bibliothek bist?
Ich spiele gerne klassische Gitarre, ich lese gerne Poesie von deutschsprachigen Dichtern, wie z.B. Heinrich Heine, Rückert und manchmal auch Schubart.
Ich höre mir in meiner Freizeit auch gerne auf Youtube an, was derzeit sehr populär ist. Ich möchte wissen, was heute für junge Leute attraktiv ist. Das höre ich mir dann 1 Minute an.
Was isst du gerne?
Alles was meine Mutter kocht.
Dein Lebensmotto :
Danke für das Interview
Josipa ist eine moderne, junge Künstlerin, die dem Publikum eine Freude machen will, die sich sehr mit der Verbesserung der Stimme beschäftigt und die auch die sogenannte Diva als nicht mehr zeitgemäß ansieht. Meines Erachtens hat sie eine grosse Karriere vor sich.