Irena Weber / Mezzosopran

Interview mit der Mezzosopranistin Irena Weber am 14.12.2015 im Guest House Vienna

Wenn du die Bühne betrittst, oder wie hier bei der Türe hereinkommst, spürt man schon das Temperament, das in dir vorhanden ist. Ist das das ungarische/serbische Blut, welches in dir fließt?

Ich würde schon ja sagen, mein Papa ist auch sehr temperamentvoll. Ich fühle mich eher als Ungarin als als Serbin. Meine Großmutter ist auch so. Ich denke auch auf Ungarisch, zähle auf Ungarisch. Das ist aber nicht verwunderlich, denn die Gymnasien, welche ich besucht habe, waren Ungarisch. Die meisten Bücher lese ich auch auf Ungarisch.  Natürlich kann ich perfekt Serbisch, da es meine Muttersprache ist, aber ich kann mich besser auf Ungarisch ausdrücken.

Dein Deutsch ist auch wunderbar, wo hast du das gelernt, sicher nicht learning by doing ?

Eigentlich schon, ich habe zwar im Gymnasium Deutsch gehabt, aber das  war für uns eher nur Spaß.

Ich hatte eine sehr gute Professorin, aber ehrlich ich habe nicht viel  gelernt, da ich sehr faul war.

Als ich dann nach Wien kam konnte ich kein Deutsch, sondern  verständigte mich nur auf Englisch. Mein Glück war, dass ich hier an der Musikuni eine wunderbare Professorin hatte, die mir das Deutsch sprechen beigebracht hat und weiters habe ich mit einer Studentin aus Deutschland zusammengewohnt.  Eigentlich habe ich wirklich Deutsch by doing gelernt. (Ich muss anmerken, dass Irena ein akzentfreies Deutsch auch grammatikalisch richtig spricht.)

Immer wenn ich dich sehe, sehe ich Carmen vor mir.  Willst du das oder willst du nicht auch anders bewertet werden? 

Ich denke, es ist für einen Opernsänger eine große Ehre, dass man sagt: du bist wie….. in meinem Fall wie Carmen oder z.B. wie Tosca.  Es gibt Sängerinnen, die mit einer Rolle berühmt geworden sind. Ich schaue ja auch etwas wie Carmen aus, habe schwarze Haare, mein Temperament passt auch, ich liebe diese Rolle und ich fühle mich auch im Leben teil- und zeitweise  wie Carmen und kann mich mit  ihr schon ein bisschen identifizieren.

Aber fangen wir von vorne an:

Wo bist du geboren ?

Ich bin in Serbien, in Novi Sad geboren.

Gibt es für dich im Leben ein Ereignis oder eine Begegnung, wo du gesagt hast: Ich möchte singen?

Ich war 9 Jahre alt und da bei uns ja Krieg gewesen ist, mussten wir nach Ungarn flüchten.

Es gab da eine Situation: Ich war 14 und musste ins Gymnasium wechseln. Das Szechenyi  Gymnasium in Sopron ist eines der besten im Land. Man Vater war eher skeptisch, dass ich aufgenommen werden würde. Ich war dort und irgendwer hat gefragt: Können Sie singen? Ich habe da so ein bisschen was gesungen und sofort kam die Antwort: Sie sind aufgenommen!

Ich musste dann leider die Schule wechseln, da ich das Musikgymnasium in Györ machen wollte  (Konservatorium) und mein Gymnasium erlaubte nicht, dass ich zwei Schulen gleichzeitig besuche.

Daher wechselte ich in Sopron ins Berzseny Gymnasium und eigentlich hat mein Leben dort dann angefangen. Der Direktor dort ist Musiker und hat mir sehr geholfen.

Man muss sich vorstellen, ich bin 4 Jahre lang täglich zwischen den beiden Gymnasien (Sopron – Györ) mit dem Zug gependelt.

Wie ist  es dann weitergegangen?

Mit 20, als ich beide Gymnasien in Ungarn abgeschlossen hatte, machte  ich in Wien an der Musikuni die Aufnahmeprüfung.

Das wollte dein Vater nicht?

Mein Vater ist Anwalt und denkt da sehr real. Er meinte, dass eine Frau, wenn sie eine Familie hat, das nicht mit dem Beruf vereinbaren könne. Man braucht da einen Mann, der die Situation, mit einer Künstlerin in einer Familie zusammen zu sein, auch versteht. Meine Mutter, selbst Malerin, hat für die Familie ihren Beruf aufgegeben.

War deine Familie dafür, dass du diese Berufsrichtung einschlägst?

Mein Vater nicht, jetzt aber schon, meine Mutter war von Anfang an dafür, aber meine größte Unterstützung habe ich von meiner Großmutter. Sowohl emotionell als auch finanziell. Ich habe heute noch eine große Bindung zu ihr. Sie schreibt mir mit 80 Jahren so schöne SMS. (Irenas Augen beginnen bei  diesem Thema wunderbar zu leuchten.)

Hat es dir schon in der Musikschule Spaß gemacht vor Menschen zu singen?

Ja natürlich. Ich habe mit Volksmusik begonnen und die bleibt immer meine große Liebe. Das ist auch für einen klassischen Sänger sehr wichtig, denn das sind ja seine Wurzeln.

Ich singe auch sehr gern Russisch, denn das ist ein wenig dem Serbischen ähnlich und ist mir näher als Englisch oder Deutsch.

Was willst du beim Singen, willst du Emotionen wecken, oder willst du Lautbilder malen?

Ja, ich will Emotionen erzeugen, denn in der heutigen Zeit sind wir diesbezüglich sehr arm. Wir zeigen nicht die Emotionen.

Man will doch in einem Konzert, ob Künstler oder nicht, eine Katharsis erleben  (Anm.:  in der Psychologie eine psychische Reinigung durch Ausleben innerer Konflikte und verdrängter Emotionen, speziell von Aggressionen) und man kann das nur durch wecken von Emotionen.

Wo kannst du deine Botschaft dem Publikum besser vermitteln, kammermusikalisch in kleinerem Rahmen, oder auf der großen Bühne?

Wir singen nicht nur für das Publikum, nein wir sind da doch auch egoistisch, indem wir für uns singen. Das ist eine ambivalente Sichtweise. Ich habe gestern ein Interview mit der US-amerikanischen Mezzosopranistin Frederica von Stade gehört und sie hat auch gesagt, dass die Künstler sehr egoistisch sind. Natürlich müssen wir das Publikum überzeugen und ihm das schon erwähnte Erlebnis einer Katharsis bescheren, aber der Künstler muss auch das Gefühl haben, dass er für sich singt und auch für Gott, der da irgendwo vielleicht in der letzten Reihe sitzt.

Ich finde das sehr wichtig. Warum singt man alleine in der Badewanne? Um eben diese verdrängten Emotionen auszuleben.

Wenn ich z.B. für mich singe, dann bekomme ich auch Gänsehaut. Warum, weil ich mich innerlich berühren kann. Wenn ich das kann, dann kann ich auch jeden berühren.

Natürlich will ich mit dem Publikum einen Energieaustausch haben. Das fühle ich jedes Mal und das ist auch sehr wichtig. Ich will einen Teil von mir geben und da öffnet sich das Publikum gleich.

Zum Thema kammermusikalisch oder große Bühne.  Ich habe schon in Ungarn vor ein paar tausend Leuten gesungen. Es ist so und so gleich. Man muss gut vorbereitet sein.

Nun einen  Sidestep zum Thema  Äußerlichkeiten . Beeinflussen diese z.B. beim Vorsingen oder bei Wettbewerben?

Ich kann es leider nicht genau sagen, wenn ich mir manchmal so YouTube- links von Wettbewerben ansehe. Irgendwie glaube ich schon, dass es von Vorteil ist, wenn man gut aussieht.

Wenn du dich entscheiden müsstest zwischen einer sehr puristischen Produktion oder einer sehr progressiven, in der der Regisseur im Künstler nur ein Werkzeug sieht – was hast du lieber?

Ich hatte schon beides gehabt. Ich bin ein sehr positiver Mensch und will aus einer Situation immer das Beste lernen. Natürlich ist es sehr schwierig für einen Sänger, der ja auch eine starke Persönlichkeit ist, auf jeden Schritt eines Regisseurs einzugehen. Mein Beruf ist es, das zu machen,  was der Dirigent bzw. der Regisseur verlangt, wobei ich natürlich auch Kompromisse machen kann.

Ist der Regisseur für den Sänger da, oder der Sänger für den Regisseur?

Es hängt davon ab, mit wem man arbeitet. Ich hatte das Glück mit Regisseuren zu arbeiten, die für mich da waren. Wenn ich gesagt habe, ich kann so nicht singen, dann machten wir es anders. Es wäre natürlich super, wenn der Regisseur für den Sänger da wäre. Der Regisseur muss sich auch auskennen und in den Sänger hineinversetzen können.  Optimal sind Regisseure, die auch eine musikalische Ausbildung haben. Es ist nicht das gleiche, für ein Theater Regie zu führen, oder für Oper.

Spürst du, ob das Publikum aufmerksam ist?

Wir haben hier in Österreich und da speziell in Wien ein sehr gebildetes Publikum und das ist ein großes Glück. Dieses Publikum versteht Qualität.

Deine größten Erfolge bzw. Auftritte?

Am liebsten habe ich die Dorabella in Schönbrunn gemacht.  Die Regisseurin war super und hat uns sehr viel Freiraum geben. Wir hatten sechs Wochen Zeit uns zu überlegen, was passen würde. Wir haben sehr viel über die Rolle geredet.

Deine Traumrolle ?

Da bin ich sehr vorsichtig, denn als ich das erste Mal nach Wien gekommen bin haben sie mich nicht gleich aufgenommen.  Ich habe beim Interview gesagt  „ Ich bin Carmen“  und das wurde mir schlecht ausgelegt.

Dein Lieblingspartner auf der Bühne ?

Ich liebe hier an der Uni mit Jerica (Anm. Steklasa) zusammen zu singen. Wir verstehen uns sooo gut. Sie ist musikalisch so ausgebildet. Wir wissen selbst beim Atmen, was wir wollen. Die Chemie stimmt bei uns.

Was ich generell bei großen Sängern bemerkt habe, ist, dass sie nie ihre Identität bzw. ihre Authentizität verlieren und das macht sie auch so interessant.  Sie sind extrem ehrlich und haben nichts zu verbergen.

Dein Lieblingsreiseland?

Mein Lieblingsland ist jedenfalls Transsilvanien (Teil von Rumänien). Besonders die Teile, die früher Ungarn gewesen sind, sind wunderschön. Es ist so, als hätte Gott das eine Minute bevor wir gekommen sind, geschaffen. Es ist so unberührt, so wunderschön. Die Menschen sind so natürlich, so rein (im Sinne von unverdorben) so ehrlich.

Hast du ein Lieblingsessen?

Ungarische oder Serbische Bohnensuppe.

Hast du ein Lieblingsbuch bzw. einen Lieblingsautor?

Ja habe ich. Es gibt eben aus diesem Transsilvanien einen wunderbaren Schriftsteller, eben weil er aus dieser Gegend kommt,  Alber Wass. Er schreibt Geschichten über dieses Land, wo er lebt, das ist so einzigartig.

Hast du ein Lieblingszitat oder ein Lebensmotto?

Ja das hat mir einmal ein Professor gesagt: Wenn dich jemand vor die Türe setzt,  dann komm durchs Fenster wieder rein.   Das bedeutet, man soll immer die Möglichkeit haben, wieder zurückkommen zu können.

Herzlichen Dank

Ich kannte bis heute hauptsächlich nur Irenas stimmlichen Qualitäten, aber heute hat sie mir auch ihre sehr menschliche und ehrliche Seite, speziell zum Thema Publikum, gezeigt. Dafür bin ich ihr sehr dankbar, denn daraus habe ich sehr viel gelernt. Eine sehr authentische junge Künstlerin.

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